Zwischen 300 und 700 Franken Sozialhilfe pro Monat erhalten ukrainische Flüchtlinge in der Schweiz mit dem Schutzstatus S. Geld, das kaum zum Leben reicht. Darum suchen die Flüchtlinge vermehrt Lebensmittel-Abgabestellen auf, wo sie gratis Lebensmittel erhalten. Mittlerweile sind es so viele Flüchtlinge, dass die Abgabestellen an ihre Grenzen kommen, zum Beispiel in Pratteln.
Aussortierte Produkte
Es herrscht Hochbetrieb bei der Schweizer Tafel in Pratteln. Kiloweise Spargel, Himbeeren und Joghurts werden in Rollwagen durchs Lager gefahren. Dies seien alles Produkte, die nicht im Verkauf landeten, sagt Michele Hostettler, der Leiter der Sektion Nordwestschweiz. Die Produzenten haben sie aussortiert. «Die sind bei der Qualitätskontrolle durchgefallen. Es geht um die Grösse, um den Wasseranteil, um die Süsse usw. Bei Spargeln kann es auch sein, dass sie zu trocken waren.»
Alle zusätzlichen Personen sind Flüchtlinge aus der Ukraine.
Statt die Lebensmittel zu vernichten, landen sie hier bei der Schweizer Tafel. Ebenso die ausgeschiedenen Waren der Grossverteiler. Die Schweizer Tafel liefert die Ware dann weiter an rund 90 Organisationen in der Nordwestschweiz. Es sind Organisationen, die das Essen an Bedürftige weitergeben, einmal am Tag ist die Lieferung. Seit dem Krieg in der Ukraine aber müssten die Fahrer öfters los, erzählt Hostettler. Die Abgabestellen sind am Limit. «Nachdem unsere Fahrer dort waren, bekommen wir Anrufe, ob wir nicht noch mehr Ware haben. Zum Teil muss das Team den Lieferwagen nochmals füllen und nochmals vorbeigehen.»
Die grösste Abgabestelle in Basel ist der Verein Dienst am Nächsten. 270 Familien unterstützt der Verein einmal in der Woche mit Lebensmitteln. Nun hat sich die Zahl fast verdoppelt, sagt der Vizepräsident Andy Schäppi. «Alle zusätzlichen Personen sind Flüchtlinge aus der Ukraine.»
Es tut uns in der Seele weh, aber wir können nicht mehr geben, als wir haben, auch wenn wir möchten.
150 Meter lang sei die Schlange am Anfang gewesen. Mittlerweile habe sein Verein Zeitfenster eingerichtet und auch eine Obergrenze eingeführt: Mehr als 200 zusätzliche Familien könne der Verein momentan nicht unterstützen, sagt er. «Das tut uns in der Seele weh, aber wir können nicht mehr geben, als wir haben, auch wenn wir möchten.»
Der Verein hat ein eigenes Lager mit lang haltbaren Lebensmitteln wie Teigwaren, Tee oder Konserven. Die restlichen, frischen Lebensmittel kommen von der Schweizer Tafel. Das eigene Lager sei normalerweise voll, sagt Schäppi, das habe sich nun aber geändert, sagt er, und zeigt auf die fast leeren Regale: «Hier sind noch etwa 30 Päckchen Pasta übrig, alles andere haben wir schon herausgegeben.»
Schäppi wurde darum selbst aktiv und hat zusammen mit seiner Frau Lebensmittel beigesteuert, aus dem eigenen Portemonnaie. In Zukunft hofft er, dass mehr Leute Geld spenden und er die Engpässe so ausgleichen kann.
Direkt die Firmen anfragen
Zurück in Pratteln bei der Schweizer Tafel. Auch hier überlegt man sich, wie man die grosse Nachfrage in Zukunft auffangen soll. Eine Möglichkeit wäre, dass seine Fahrer mehr Läden anfahren als sonst, sagt Michele Hostettler. Und er zieht auch eine andere Option in Betracht, die sonst nicht infrage kommt: «Unsere Lager sind früher oder später leer. Das heisst, wir müssen in die Industrie gehen und fragen, ob uns die Firmen nicht lang haltbare Ware spenden können. Solche, die sonst in den Handel gehen.»
Das sei sonst nicht die Idee der Schweizer Tafel. In erster Linie gehe es darum, Lebensmittel zu retten, die sonst vernichtet werden. Aber in Zeiten wie diesen müsse man auch andere Wege gehen.