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Urteil des Bundesgerichts «Fall Simon Stocker» – das ist passiert und so gehts weiter

Das Bundesgericht entzieht Simon Stocker den Schaffhauser Ständeratssitz. Nun braucht es Neuwahlen. Eine Übersicht.

Das Urteil: Das Bundesgericht hat dem Schaffhauser SP-Politiker Simon Stocker das Mandat als Ständerat entzogen. Stocker hatte dem Urteil zufolge am Wahltag keinen Wohnsitz im Kanton Schaffhausen.

Die Begründung: Das Bundesgericht hat eine entsprechende Beschwerde gegen einen Entscheid des Obergerichts gutgeheissen, wie aus dem am Mittwoch veröffentlichten Urteil hervorgeht. Demnach war Stocker zum Zeitpunkt der Wahl im November 2023 in der Stadt Schaffhausen angemeldet, hatte seinen Lebensmittelpunkt aber in der Stadt Zürich. Die kantonale Verfassung setzt für die Wahl in den Ständerat einen Wohnsitz im Kanton Schaffhausen voraus. Und der Wohnsitz einer Person liegt dort, wo sich ihr Lebensmittelpunkt befindet.

Die Konsequenzen: Stockers Wahl wird mit Wirkung ab dem Urteil des Bundesgerichts aberkannt, wie es weiter hiess. Entscheide, an welchen Stocker bisher mitgewirkt hat, werden laut Bundesgericht weder nichtig noch anfechtbar.

Gerichtliche Annullierung einer Wahl nach Vereidigung einzigartig

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Dass ein Gericht das Mandat eines vereidigten Mitglieds des Ständerats entzieht, dürfte in der Schweiz noch nie vorgekommen sein. Zumindest haben die Parlamentsdienste der Bundesversammlung keine Kenntnis von gleich gelagerten Fällen. Ausschlüsse aus politischen Gründen gab es in der Vergangenheit aber.

Laut einer Sprecherin der Parlamentsdienste gab es seit 1979 nie einen mit Ex-Ständerat Simon Stocker (SP/SH) vergleichbaren Fall. Und aus der Zeit davor gebe es in der juristischen Literatur ebenfalls keine Hinweise auf die gerichtliche Entziehung einer Wahl nach der Vereidigung eines Ständeratsmitglieds, sagte die Sprecherin auf Anfrage der Nachrichtenagentur Keystone-SDA.

Die Reaktion des Beschwerdeführers: Für ihn ist der Bundesgerichtsentscheid zum «Fall Stocker» eine «späte Genugtuung». Es sei aber «inakzeptabel», dass es ein Jahr dauerte, bis die Wahl aufgehoben wurde, teilte dessen Anwalt mit.

Die Neuwahl: Das Bundesgericht hielt fest, dass der Schaffhauser Regierungsrat eine Neuwahl ansetzen muss. Diese findet am 29. Juni statt, wie der Kanton bereits bekanntgab. Entgegen dem Antrag des Beschwerdeführers rückt Thomas Minder (parteilos), der die zweitmeisten Stimmen erzielte, nicht automatisch nach.

Die erneute Kandidatur: Der SP-Politiker will erneut zur Schaffhauser Ständeratswahl antreten. Dies sagte Stocker an einer Medienkonferenz am Mittwoch. Das Urteil des Bundesgerichts gelte es zu akzeptieren, auch wenn es eine Absage an ein gleichberechtigtes Familienmodell sei. Er sprach von einem schwierigen Tag. Er habe noch nie ein Geheimnis über seine Situation gemacht: «Es ist auch keine Selbstverständlichkeit, ein modernes Familienmodell zu leben», sagte Stocker weiter.

Die Reaktion von Simon Stocker: «Ich lebe in Schaffhausen.» Aber er und seine Frau hätten auch eine Wohnung in Zürich, sagte der Ex-Ständerat weiter. Die Rahmenbedingungen hätten sich etwas geändert. Seine Frau sei Wochenaufenthalterin, sein Sohn gehe ab diesem Sommer in Schaffhausen in den Kindergarten. Das Gesetz akzeptiere es in diesem Fall nicht, dass Ehepartner unterschiedliche Wohnorte hätten. Er und seine Frau hätten eine pragmatische Lösung gefunden, um ihr Leben, das beruflich an unterschiedlichen Orten in der Schweiz stattfinde, gleichberechtigt zu organisieren, sagte Stocker.

Nachdenklicher Mann in Anzug mit grauen Haaren.
Legende: Stocker ist froh, dass mit dem Urteil immerhin der «Schwebezustand» der letzten eineinhalb Jahre beendet sei: «Das war ein riesiger Stress für mein Umfeld und mich», sagte er vor Medienschaffenden. Keystone/MICHAEL BUHOLZER

Das Ende des «Schwebezustands»: Dass das Bundesgericht ihre Art zu leben als nicht vereinbar mit einem politischen Amt erachtet und dass ihn seine Wahl koste, stimme Stocker traurig, wie er weiter sagte. Immerhin sei mit dem Urteil aber der «Schwebezustand» der letzten eineinhalb Jahre beendet. Sein Blick sei nun nach vorne und in die Zukunft gerichtet, sagte er weiter. Die Planung des Wahlkampfs starte bereits.

Die Reaktion der SP Schaffhausen: Co-Präsidentin Romina Loliva sagte vor den Medien, dass die SP bei den Neuwahlen auf Stocker setze. Seit das Urteil bekannt wurde, habe die Partei hunderte Nachrichten erhalten. «Das Unverständnis ist in der Bevölkerung gross», sagte sie.

SRF 4 News, 26.3.2025, 10:30 Uhr ; 

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