Im Akkord wird in der Flyer-Fabrik in Huttwil BE ein E-Bike nach dem anderen zusammengebaut. Die Produktion läuft auf Hochtouren, denn die Nachfrage ist gross. «Nicht wegen, sondern dank Corona gehen die Fahrrad-Branche und auch wir als Gewinner dieser ganzen Geschichte hervor», sagt der Geschäftsführer der Velofabrik Flyer, Andreas Kessler.
Innert kurzer Zeit hat er 100 zusätzliche Mitarbeitende eingestellt. Die 400 Angestellten arbeiten in zwei Schichten, produzieren von 06:00 bis 22:00 Uhr jeden Tag rund 400 Velos – 100 mehr als zuvor. Dafür wurde eine zweite Produktionsstrasse eingerichtet, im Frühling folgt eine dritte.
Im letzten Jahr seien sie ausverkauft gewesen, so Kessler. Dasselbe Bild zeichne sich in diesem Jahr ab. Innerhalb dieser zwei Jahre hat Flyer die Produktion um knapp 30 Prozent auf weit über 70'000 Velos gesteigert. Auch für 2022 seien die Auftragsbücher voll, teilweise sogar bis 2023.
Von dieser grossen Nachfrage berichten auch andere Hersteller und Händler.
Dreimal längere Lieferzeiten
Die grosse Nachfrage auf der ganzen Welt führt aber zu Lieferengpässen. Zulieferer aus Asien können ihre Kapazitäten nur bedingt hochfahren. Dort kommen rund 90 Prozent aller Velos und Ersatzteile her. Auf gewisse Komponenten muss 18 statt 6 Monate gewartet werden. «Die Beschaffung war die grösste Herausforderung», sagt Kessler.
Zudem wurden die Containerfrachten deutlich teurer. «Früher hatten wir Frachtkosten von 2000 Dollar für einen 40-Fuss-Container. Heute sind es über 10'000», so Kessler. Diese Mehrkosten müssen auch die Kundinnen und Kunden mittragen – gewisse Velos wurden bereits teurer. Bei Flyer kostet das Velo im Durchschnitt 4000 Franken.
Velogeschäft läuft
In den nächsten Tagen veröffentlicht der Verband der Schweizer Fahrradlieferanten Velosuisse die Jahreszahlen 2020. Es sind eindrückliche Zahlen.
Annahmen, die letzten Sommer getätigt wurden, bestätigen sich. Rund 25 Prozent mehr E-Velos wurden 2020 im Vergleich zum Vorjahr verkauft. Das letzte Jahr sei tatsächlich speziell gewesen, sagt Geschäftsführer Martin Platter: «Die Zunahme bei den elektrisch betriebenen Velos geht nämlich nicht auf Kosten der normalen. Das heisst: Die Nutzergruppe wurde eindeutig grösser.»
Die Menschen schätzen die Unabhängigkeit, die ein Velo bietet. Deshalb sind viele auch bereit, mehr Geld zu investieren und teure Velos zu kaufen. Trotzdem ist gemäss Platter die Stimmung in der Branche nicht super. «Das Velogeschäft ist aufwändig, der Ansturm geht an die Substanz.» Zum Teil arbeiten die Leute in der Branche sechs oder sieben Tage, berichtet Martin Platter.
Ist das Wachstum nachhaltig?
Im bernischen Huttwil möchte Flyer einen grossen Teil der temporären Angestellten behalten. «Das ist unser grosses Ziel», sagt CEO Andreas Kessler. Er geht nicht davon aus, dass der Markt in den nächsten sieben Jahren gesättigt sein wird. «Im letzten Jahr war jedes dritte verkaufte Fahrrad ein E-Bike. Wir gehen davon aus, dass künftig jedes zweite ein E-Bike sein wird.» Wenn man die Kinder- und Rennvelos nicht mitzählt.
Dann wird der Markt wohl wieder um rund 10 Prozent wachsen.
Flyer werde wohl auch 2023 um bis zu 20 Prozent wachsen. Danach werde es eine gewisse Normalisierung geben. «Dann wird der Markt wohl um rund 10 Prozent wachsen», so die Prognosen von Flyer-CEO Kessler. Dafür hätten sie mit dem geplanten Ausbau im Frühling genügend Kapazitäten. «Aber wir müssen uns schon jetzt überlegen, was in acht bis zehn Jahren ist.»