Gleichzeitig in der Regierung und im Parlament zu sitzen, das geht nicht, das wird durch das Prinzip der Gewaltenteilung verhindert. In Genf hat der angehende Staatsrat Pierre Maudet in den letzten rund fünf Wochen dennoch dem Parlament angehört.
Möglich war das wegen einer Genfer Eigenheit: Da Maudet auch ins Parlament gewählt wurde und die Legislatur des Grossen Rats einen Monat vor jener der Regierung beginnt, gab es rechtlich gesehen keine Doppelrolle. Bis zur Vereidigung heute Mittwoch als Staatsrat durfte Pierre Maudet ganz legal im Grossen Rat Einsitz nehmen. Und nicht nur das: Er gehörte auch der Geschäftsprüfungskommission an – also jener Kommission, die der Regierung auf die Finger schaut und auch Affären wie seine Reise nach Abu Dhabi untersucht hat.
Kritik an Maudets Manöver
Auch Thomas Wenger, der Präsident der Genfer SP, gehört dieser Geschäftsprüfungskommission an – und kritisiert Maudets Politmanöver. Es gebe einen Interessenskonflikt, weil manche Untersuchungen direkt gegen Maudet gerichtet gewesen seien. So habe er Zugriff auf die Protokolle und damit auf die Stellungnahmen anderer Personen gehabt, die vor der Kommission ausgesagt hätten.
Man kann sich die Frage stellen, ob es angemessen ist, dass ein angehender Staatsrat in dieser Geschäftsprüfungskommission sitzt.
Auch der Präsident der Genfer FDP, Pierre Nicollier, gehört der einflussreichen Kommission an. Er findet die Mitgliedschaft von Maudet ebenfalls problematisch: «Man kann sich die Frage stellen, ob es angemessen ist, dass ein angehender Staatsrat in dieser Kommission sitzt.» Er finde es nicht angemessen, obwohl es rechtlich erlaubt sei. Weiter sagt er, es sei nicht sehr schlau von Maudet gewesen, das zu tun.
Welche Protokolle Pierre Maudet in der Geschäftsprüfungskommission angesehen hat, das weiss nur er selbst. Auch auf mehrfache Anfrage von Radio SRF hin nimmt er keine Stellung. Westschweizer Medien hatte er als Grund für seinen Einsitz im Parlament angegeben, dass er die Politneulinge seiner neuen Bewegung «Libertés et Justice sociale» habe coachen wollen.
Präsidiert wird die Kommission von Daniel Sormanni von der Bürgerbewegung «Mouvement Citoyens Genevois» (MCG). Er sehe keinen Verstoss gegen die Ethik, zumal Maudet nichts davon öffentlich verwendet habe.
Poggia macht es anders
Die Meinungen zu Maudets Politmanöver gehen auseinander. Es gibt aber auch andere Haltungen in der Genfer Politik: So hat der MCG-Staatsrat Mauro Poggia, derzeit noch Gesundheits- und Sicherheitsdirektor und ab morgen Grossrat, schon angekündigt, dass er sich im Parlament bei seinen früheren Geschäften enthalten werde.
Während des Wahlkampfs hat Maudet einem Teil der Wählerschaft glaubhaft machen können, dass er sich geändert habe. Jetzt zeigt sich aber, dass Maudet der Gleiche ist wie früher.
Maudets Kurzvisite als Grossrat birgt noch ein anderes Problem: Es widerspricht dem Bild des geläuterten Politikers, das er im Wahlkampf von sich abgegeben hatte. SP-Präsident Thomas Wenger nimmt ihm das nicht mehr ab: «Während des Wahlkampfs hat Maudet einem Teil der Wählerschaft glaubhaft machen können, dass er sich geändert habe. Mit den jetzt vorliegenden Elementen zeigt sich aber, dass Pierre Maudet der Gleiche wie früher ist. Und dass es Probleme mit seiner Berufsethik und seinem Politikstil gibt.»
Für einen Teil der Genfer Politik ist das Vertrauen in Maudet schon wieder angekratzt und das noch vor Beginn der neuen Legislatur, in der eigentlich alle diese Affäre hinter sich lassen wollten.