Wer im Feierabend-Verkehr durch die Stadt Luzern fährt, der braucht Geduld: Oftmals sind die Strassen komplett verstopft.
Stossstange reiht sich an Stossstange. Und auch die Busse kommen nicht vom Fleck. «Unregelmässiger Betrieb», heisst es dann jeweils auf den Anzeigetafeln. Verlässlichkeit des Fahrplans? Fehlanzeige.
Gemäss Zahlen des Bundesamts für Verkehr ist der öffentliche Verkehr in Luzern deutlich unpünktlicher als etwa in Zürich, Bern, Lausanne, Winterthur oder St. Gallen.
«Wir bewegen uns in den hintersten Rängen, das ist eine Schande», sagt Laurent Roux, Chef der Verkehrsbetriebe Luzern VBL. «Vor allem am Abend erleben wir es praktisch täglich, dass der Verkehr während zwei Stunden zusammenbricht.»
Autos sollen Bussen und Velos den Vortritt lassen
Um den Verkehrskollaps abzuwenden, brauche es Massnahmen, fordert der VBL-Chef. Eine Option wäre Mobility Pricing. Wer ins Stadtzentrum fahre, soll dafür bezahlen müssen.
Einen anderen Weg schlägt Verkehrsexperte Marc Vetterli vor. Er hat an der Ostschweizer Fachhochschule untersucht, wie der Verkehr in Städten verbessert werden könnte. Respektive wie sich der Stau in den Städten eindämmen liesse.
Sein Fazit: Weil der Platz im urbanen Raum knapp ist, müssen flächeneffiziente Fahrzeuge wie Busse und Velos bevorzugt werden. «Am Ende soll es darum gehen, möglichst viele Menschen von A nach B zu transportieren.»
Damit Menschen umsteigen, muss der öffentliche Verkehr attraktiv sein. Sprich: pünktlich.
Um dem öV den Vortritt zu lassen, müssten Spuren für die Autos weichen. Dieser Kapazitätsabbau führe unweigerlich zu einer Verhaltensanpassung, sagt Vetterli. «Man kann früher oder später losfahren, um nicht in den Stau zu geraten.» Man könne allenfalls eine andere Route wählen – oder eben umsteigen. «Vorausgesetzt, der öffentliche Verkehr ist attraktiv. Sprich: pünktlich.»
Wenn der Verkehr verdunstet
Bei einem Spurabbau suchen sich Menschen also neue Wege – und neue Verkehrsmittel. Fachleute sprechen von einer sogenannten Verkehrsverdunstung.
Vetterli belegt den Effekt mit Beispielen: «Im Ausland, etwa in Holland oder in den USA, wurden ganze Autobahnen aufgehoben. Trotzdem resultierte am Ende eine bessere Verkehrssituation als vorher.»
Weitere gute Beispiele: das Limmatquai in Zürich, das bis vor 20 Jahren noch eine Hauptstrasse war und seither Trams und Velos vorbehalten ist.
Oder Köniz, das trotz wachsender Bevölkerung weniger Autos verzeichnet. Unter anderem, weil Ampeln den Verkehr dosieren, Velos mehr Platz haben und Busspuren für einen zuverlässigen, pünktlichen öV sorgen.
Luzern: Machbarkeitsstudie soll Lösungen aufzeigen
Zurück nach Luzern. Hier hat die Politik mittlerweile erkannt, dass sie die Busse nicht länger im Stau stecken lassen kann. Der Kanton will im Frühling für die Bevorzugung des öffentlichen Verkehrs eine Machbarkeitsstudie vorstellen. Dabei werden auch zusätzliche Busspuren ein Thema sein.
Allerdings: Wenn dafür Autospuren verschwinden sollen, ist Widerstand programmiert. Denn die bürgerlichen Parteien haben sich bisher stets dagegen gewehrt, den Individualverkehr in der Stadt zurückzustufen. Vorerst heisst es auf den Anzeigetafeln an den Bus-Haltestellen daher wohl weiterhin «Unregelmässiger Betrieb».