Knapp die Hälfte der Zeit, die wir unterwegs sind, und 44 Prozent der Reisekilometer gehen auf das Konto unserer Freizeit. Das belegten bis anhin Zahlen des Bundes. Wie viel darin der Tourismus ausmacht, war unklar.
Das wollte FDP-Ständerat Josef Dittli ändern und forderte den Bundesrat vor drei Jahren auf, diesen touristischen Verkehr zu erfassen. Der Bundesrat trat auf das Anliegen ein und hat dazu einen Bericht des Bundesamtes für Raumentwicklung (ARE) verabschiedet. Das Papier zeigt: 25 Prozent des Gesamtverkehrs in der Schweiz wird verursacht durch touristische Aktivitäten.
Zu touristischen Aktivitäten zählt alles, was zusätzlich zur Alltagsmobilität unterwegs ist. Dazu gehören beispielsweise Ferien, Tagesausflüge oder Geschäftsreisen. Nicht dazu zählt der Pendelverkehr (47 Prozent) oder regelmässige Freizeitbeschäftigungen wie der Besuch im Fitnessstudio oder im Probelokal (27 Prozent).
Wir werden den massiven Verkehr, den der Tourismus auslöst, schlicht nicht auf der Strasse bewältigen können.
Man habe den Tourismusverkehr in der Verkehrsplanung unterschätzt, gesteht der Vizedirektor des Bundesamtes für Raumplanung (ARE), Ulrich Seewer, ein. Man müsse in Zukunft näher hinschauen. Denn der Bundesrat rechnet gemäss Bericht damit, dass der touristische Verkehr künftig zunehmen wird.
Für SP-Nationalrat David Roth ist – auch hinsichtlich des Neins zum Autobahnausbau vor zwei Wochen – klar, dass die Touristinnen und Touristen im In- und Ausland künftig vermehrt auf die Schiene gebracht werden müssen. «Wir werden den massiven Verkehr, den der Tourismus auslöst, schlicht nicht auf der Strasse bewältigen können», warnt Roth, der in der Verkehrskommission seines Rates sitzt.
Treno Gottardo als Vorbild
Laut Ständerat Dittli braucht es attraktivere ÖV-Angebote für Touristinnen und Touristen. Ein gutes Beispiel sei der Treno Gottardo, ein vor vier Jahren in Betrieb genommener Passagierzug, der hauptsächlich Touristen von Zürich durch den alten Gotthardtunnel ins Tessin bringen soll. Exakt solche Angebote in anderen Tourismusdestinationen brauche es, damit man einen wesentlichen Beitrag zur Nachhaltigkeit vom Tourismus leisten könne, sagt Dittli.
Vizedirektor Seewer sieht noch weitere Optionen: Man könnte mehr direkte Zugverbindungen von grossen Städten in Tourismusdestinationen schaffen, ein Gratis-GA für bestimmte Tourismusregionen, wie es das Tessin mit dem Ticino-Ticket heute bereits kenne, oder eine Verbilligung für die ÖV-Anreise für Touristinnen und Touristen – finanziert beispielsweise durch die Tourismusanbieter.
Grosses Potenzial für den ÖV
Im Bericht des Bundesrates wurde auch erstmals geschätzt, wie hoch im Tourismusverkehr der Anteil des öffentlichen Verkehrs ist. In 74 Prozent der Fälle wird das Auto genutzt, in 24 Prozent die öffentlichen Verkehrsmittel und in 2 Prozent das Velo. Das unterscheidet sich nicht gross vom gesamten Personenverkehr.
Allerdings nutzt die Schweizer Bevölkerung für Tagesreisen – nicht so beim Übernachtungstourismus – viel häufiger den ÖV als ausländische Gäste. Zudem liegt der ÖV-Anteil im Transitverkehr bei lediglich 3 Prozent.
Bei beidem liege grosses Potenzial, sagt Seewer vom Bundesamt für Raumplanung. Hinsichtlich des Transitverkehrs bräuchte es mehr Anstrengungen, die Leute auf die Schiene zu bringen. «Es gibt kaum mehr direkte, internationale Züge durch die Schweiz», so Seewer.