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Eine Flüchtlingsfamilie in der Schweiz
Aus Rendez-vous vom 10.03.2022. Bild: Noëmi Ackermann
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Von Charkiw nach Ettingen «Was, wenn ich meinen Mann nie wieder sehe?»

Kseniia Kalinina ist zusammen mit ihren Kindern von der Ostukraine in die Schweiz geflüchtet. Hier ist sie zwar in Sicherheit, fürchtet aber um ihren Mann.

«Im Moment schaue ich nicht in die Zukunft. Im Moment bin ich einfach müde vom Angst haben.» Das sagt Kseniia Kalinina. Die Ukrainerin ist am Mittwochmorgen in Basel gelandet. Jetzt ist sie in Sicherheit, in Ettingen (BL) in einer Wohnung. Noch wenige Tage zuvor war sie mit ihrem Mann und den beiden Kindern in Charkiw, in der Ostukraine. Sie habe ihr Leben dort geliebt.

Immer wieder sahen wir Schnee. Schnee, der eigentlich weiss sein sollte, aber rot war. Rot vom Blut der getöteten Soldaten.
Autor: Kseniia Kalinina Ukrainische Flüchtende

 «Wir sind morgens um 5 Uhr von Explosionen geweckt worden, haben schnell das Nötigste zusammengepackt und sind in den Westen der Ukraine geflüchtet,» beschreibt Kalinina ihre Flucht. Im Auto seien sie Richtung Westen gefahren. Immer wieder hätten sie Schnee gesehen. Schnee, der eigentlich weiss sein sollte, aber rot war. Rot vom Blut der getöteten Soldaten.

Gruppe von sechs Personen auf einem Sofa sitzend.
Legende: Gemeinsam mit ihren Gastgebern Christoph Ziegler und Yuliia Bahatska (von links) versucht Kseniia Kalinina (ganz rechts) mit ihren Kindern Natascha und Artem wieder zur Ruhe zu kommen. SRF / Noëmi Ackermann

Nach wenigen Tagen erkannten Kseniia und ihr Mann, dass der Krieg sich ausweiten würde, dass kein Ende in Sicht war, dass sie weiter fliehen mussten. Sie ist dann mit den beiden Kindern weiter nach Ungarn gereist. Ihr Mann ist im wehrpflichtigen Alter und musste in der Ukraine bleiben.

Was, wenn ich ihn nie wieder sehe?
Autor: Kseniia Kalinina Ukrainische Flüchtende

Sie habe Angst, Angst um ihren Mann, sagt die Ukrainerin weiter. «Ich frage mich wirklich: Was, wenn ich ihn nie wieder sehe,» fragt Kalinina weiter. Während sie erzählt, kommen immer wieder ihr Sohn und ihre Tochter in die Küche. Sie wollen sich versichern, dass ihre Mutter noch da ist. Nur, dass sie nicht auch noch weg ist. Sie hätten sich bereits jetzt verändert.  Die Kinder seien viel unruhiger, nervöser geworden, bedauert sie weiter. Sie weinten und schrien mehr. «Ich kann nicht mal mehr allein auf die Toilette gehen, mein Sohn will mich überall hinbegleiten.»

Nicht alle wollen flüchten

Die Familie lebt bei Yuliia Bahatska, ihrer Tochter und ihrem Partner. Sie ist selbst aus Charkiw. Die beiden Frauen haben dort zusammen studiert, sind statistische Programmiererinnen. Yuliia arbeitet bei der Roche in Basel. Sie habe nicht lange überlegen müssen und habe ihre Freundin mit ihren Kindern aufgenommen. Sie hofft, dass weitere Familienmitglieder kommen. Aber nicht alle wollen, erzählt Bahatska.

Ich habe mir ein gutes Leben aufgebaut. [...] Jetzt bin ich hier – nur mit einem Koffer und einem Rucksack.
Autor: Kseniia Kalinina Ukrainische Flüchtende

Die Grosseltern von Bahatska seien über 80 Jahre alt. Sie lebten in Charkiw, erzählt sie weiter, aber: «Sie wollen nicht fliehen, wollen nicht weg. Jetzt ist aber die Heizung ausgestiegen. Und es ist kalt, die Temperaturen sinken bis in die Minusgrade.» Die Ukraine sei so ein friedliches Land gewesen, erzählen beide. Ihre Wut richtet sich vor allem gegen den russischen Präsidenten Wladimir Putin. Seinetwegen hätte sie so viel verloren, erzählt Kalinina.

«Ich habe mir ein gutes Leben aufgebaut. Wir hatten eine eigene Wohnung, ein eigenes Auto. Ich hatte einen guten Job. Jetzt bin ich hier. Nur mit einem Koffer und einem Rucksack,» sagt die Flüchtende weiter. In einem ersten Schritt will Kalinina zusammen mit ihren Kindern zur Ruhe kommen. Zur Ruhe kommen, während zu Hause noch Krieg herrscht.

Rendez-vous, 10.3.2022, 12:30 Uhr

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