Liebevoll streicht Barbara Kläy ihrem Sohn über den Kopf. Es ist kurz nach sechs Uhr morgens, der 4-Jährige liegt im Bett und möchte nicht aufstehen. Sein älterer Bruder hingegen ist schon vom Kajütenbett heruntergeklettert und spielt mit einem ferngesteuerten Auto.
Die 37-jährige Mutter versucht, beiden gerecht zu werden und sie dazu zu bringen, dass sie sich anziehen und sich die Zähne putzen. Die Zeit drängt. Der Kleinere muss in die Kita, der Grössere in die Tagesstruktur und Kläy ins Büro.
Dass Kläy wieder arbeitet, ist nicht selbstverständlich. Mit der Geburt des ersten Sohns wurde sie aus dem Arbeitsleben herausgerissen. «Rückblickend erkenne ich, dass ich nach der Geburt des ersten Kindes eine Depression hatte», sagt Barbara Kläy.
Das Kind schrie viel, das Stillen zerrte die zierliche Frau aus, die Decke fiel ihr auf den Kopf. Sie vermisste ihren Job, konnte sich zu nichts aufraffen, schottete sich ab.
Ihr Mann war mit der Situation überfordert und wusste nicht, wie er seiner Frau helfen sollte, auch nicht nach der Geburt des zweiten Kindes. «Als es mir dann besser ging, war die Beziehung nicht mehr zu retten. Ich war zu lange mit mir allein gewesen», so Kläy. «Wir waren nur noch Eltern, nicht mehr ein Paar.»
«Ich hatte Existenzängste»
Der Vater zog aus, Kläy wurde alleinerziehende und arbeitslose Mutter. «Ich hatte riesige Existenzängste und konnte kaum schlafen.» Geldsorgen und Zukunftsängste prägten den Alltag. Sechs Jahre lang war sie ohne Job.
Doch Barbara Kläy hatte Glück. Sie schrieb eine Bewerbung und hatte gleich Erfolg. Sie bekam die Zusage zu einer Stelle und sollte so schnell wie möglich anfangen zu arbeiten. Doch wer schaut zu den Buben? Der Vater war beruflich selbst so eingespannt, dass er nicht helfen konnte.
Kläy bewarb sich für einen subventionierten Kitaplatz, aber diese sind begehrt und nicht kurzfristig verfügbar. Dass der Wiedereinstieg ins Berufsleben dennoch gelang, liegt daran, dass die Grossmutter hilft, wo sie nur kann und dass der neue Arbeitgeber grosszügig ist. Er bezahlt den Aufpreis für den nicht-subventionierten Kitaplatz.
Kein Einzelfall
Die Situation von Barbara Kläy sei keine Ausnahme, «das ist Alltag», sagt Yvonne Feri, Geschäftsleiterin des Verbands alleinerziehende Mütter und Väter (SVAMV). Solange die Familie in Takt ist, sei die Rollenteilung nach wie vor häufig klassisch: «Viele Frauen arbeiten nach der Geburt der Kinder niederprozentig. Wenn dann die Familie auseinanderbricht, reicht der Lohn nicht.»
Zu wenig subventionierte Kita-Plätze
Die Politik müsste noch mehr subventionierte Betreuungsplätze zur Verfügung stellen, so Feri. In den Grossstädten sei die Situation gut, aber in ländlicheren Gegenden sei ein Mangel vorhanden.
Mehr Subventionen für Betreuungsplätze bedeuteten zwar höhere Kosten für die Allgemeinheit, jedoch lohnten sich die Ausgaben, ist Feri überzeugt. Es könnten Sozialausgaben gespart werden und die arbeitenden Frauen würden wiederum Steuern bezahlen und ihr eigenes Altersguthaben auffüllen. «Die Investition in einen Kita-Platz kommt mehrfach zurück.»