Die Mitte hat mit der Fusion von CVP und BPD sowie dem Namenswechsel weg von der CVP einen Wandel hinter sich. Gemäss SRG-Wahlbarometer könnte dieses Kalkül aufgehen. Höchste Zeit für kritische Fragen von Wählerinnen und Wählern.
Energie: Ergibt das AKW-Verbot Sinn?
Beat Hänni aus dem Kanton Bern ist Spezialist für Haustechnik bei der Schweizer Armee. Er möchte von Gerhard Pfister wissen, ob der Atomausstieg unter der damaligen CVP-Bundesrätin Doris Leuthard ein Fehler gewesen sei. «Ob es ein Fehler war oder nicht, ist Sache des Volkes. Und dieses hat die Energiestrategie damals angenommen.» Trotzdem bringt Pfister Kritik an: «Die Politik hat sich nach diesem Grundsatzentscheid zu lange darauf ausgeruht und ist die Erneuerbaren zu langsam angegangen.» Trotz aller Widrigkeiten müsse man den Ausstieg aus den Fossilen nun vorantreiben. Könnte dabei die Kernenergie doch wieder eine Rolle spielen? Pfister ist skeptisch: «Wenn wir schon Mühe haben, ein paar Fotovoltaik-Anlagen hinzustellen, dann dürfte das gleiche Volk auch ein neues AKW ablehnen.»
Gesundheitswesen: Wieso keine konkreten Massnahmen?
Mit der Kostenbremse-Initiative habe die Mitte einen wenig konkreten Plan vorgelegt, um den Anstieg bei den Krankenkassenprämien zu stoppen, findet Lara Knecht, Studentin aus dem Kanton Zürich und SP-Mitglied. Gerhard Pfister kann den Frust verstehen. «Unser Vorschlag alleine reicht sicher nicht. Es braucht jetzt Kompromisse. Im aktuellen System hat nämlich – mit Ausnahme der Prämienzahler – niemand ein Interesse daran, die Kosten zu senken.» Dennoch sieht Pfister in der eigenen, seiner Ansicht nach «sehr konkreten» Lösung Vorteile und zieht Vergleiche zur Schuldenbremse. «Etwas Ähnliches brauchen wir im Gesundheitswesen.» Wählerin Knecht findet dennoch, die Mitte betreibe «Pflästerlipolitik». Die Replik des Parteipräsidenten: «Die Bevölkerung traut der Mitte am ehesten zu, die Kostenexplosion im Gesundheitswesen zu stoppen.»
Bezahlte Mandate: Wie gross ist das Problem?
In keiner Partei seien bezahlte Mandate so verbreitet wie in der Mitte, kritisiert Dillon Martinelli, Student aus dem Kanton Zürich. Er will deshalb von Gerhard Pfister wissen, ob er diesbezüglich und in puncto Lobbyismus im allgemeinen Handlungsbedarf sehe. «Nein. Das schweizerische Milizsystem sieht einen gewissen Lobbyismus vor», findet dieser. Die grosse Ausnahme bilde die Gesundheitspolitik. «Hier wird – auch in unserer Partei – zu viel lobbyiert. Da müssen wir über die Bücher.» Würde Pfister, seines Zeichens Präsident des Schweizer Casino-Verbandes, denn etwa ein schärferes Glücksspielgesetz unterstützen? «Das würden wir dann sehen. Ein Mandat käme für mich auf jeden Fall nie vor meinen persönlichen Überzeugungen.»
Ukraine-Krieg: Ist die Neutralität in Gefahr?
Markus Engler, Polizist aus dem Kanton St. Gallen, spricht den Mitte-Präsidenten auf dessen Haltung zum Ukraine-Krieg an. Mehrfach hat dieser laut über indirekte Waffenlieferungen an Kiew nachgedacht. Ritzt der Mitte-Präsident damit die Neutralität? Nein, findet Gerhard Pfister. «Ein neutrales Land hat die Pflicht, sich selbst zu verteidigen. Der russische Angriff gilt nicht nur der Ukraine, sondern ganz Europa.» Die Schweiz müsse darum auch an die eigenen Interessen denken. «Wir müssen uns überlegen, wie wir diejenigen in der Ukraine unterstützen, die auch unsere eigene Freiheit verteidigen.»
LGBTQ: Gilt die Nächstenliebe der Mitte wirklich für alle?
Matthias Joss, 37, IT-Servicetechniker aus dem Kanton Bern, will von Gerhard Pfister wissen, inwiefern die ehemalige CVP auch für gleichgeschlechtliche Paare Nächstenliebe bereithalte. «Die Ehe für alle war kein Akt der Nächstenliebe, sondern ein politischer Akt. Ihnen und Ihrem Partner stehen die gleichen Rechte und Pflichten wie uns allen zu», so der Parteipräsident. Und die persönliche Haltung von Gerhard Pfister, der sich bei der Abstimmung im Parlament über die Ehe für alle noch enthielt? «Das Gesetz muss nicht meinem Lebensmodell entsprechen, sondern dem, was die Bürgerinnen und Bürger wollen. Die Freiheit von allen ist wichtig.»