- Die SVP baut ihren Vorsprung gemäss SRG-Wahlbarometer vor den eidgenössischen Wahlen am 22. Oktober 2023 weiter aus.
- Die Grünen verlieren im Vergleich zu den Wahlen 2019 2.5 Prozentpunkte.
- Die Mitte festigt ihren Stand und liefert sich ein Kopf-an-Kopf-Rennen mit der FDP um den dritten Rang in der Wählergunst.
- Die hohen Krankenkassenprämien sind in den Augen der Wählerinnen und Wähler zur grössten politischen Herausforderung herangewachsen.
Es hat sich schon in der letzten Umfrage im Juli abgezeichnet, nun wird es acht Wochen vor den eidgenössischen Wahlen noch deutlicher: Zwischen der FDP und der Mitte dürfte es am 22. Oktober zu einem Kopf-an-Kopf-Rennen kommen. Gemäss der aktuellen Wahlabsicht kommt die Mitte mit 14.8 Prozent sogar auf einen leicht höheren Wähleranteil als die FDP mit 14.6 Prozent.
Allerdings: Wer die Nase tatsächlich vorn hat, lässt sich aufgrund des Stichprobenfehlers von +/-1.2 Prozentpunkten in der Umfrage nicht sagen. Dennoch ist diese Ausgangslage laut der Forschungsstelle Sotomo, welche die Befragung für die SRG durchführte, «bemerkenswert»: Bei den letzten Wahlen 2019 lag die CVP als Vorgängerin der Mitte mit einem Wähleranteil von 11.4 Prozent nämlich noch weit hinter der FDP mit 15.1 Prozent.
Und auch die Grünen platzierten sich mit 13.2 Prozent klar vor der CVP. Zudem reihten sich die Vorgängerparteien der Mitte seit Beginn des modernen Bundesstaats 1848 stets hinter dem Freisinn ein.
Das Aufholen der Mitte begründet Sotomo mit der Fusion von CVP und BDP zur Mitte: Durch den Zusammenschluss genüge ein moderater Anstieg des gemeinsamen Wähleranteils, um die neue Partei auf Augenhöhe mit einer stagnierenden FDP zu bringen.
Würde die Mitte die FDP tatsächlich überholen, wäre das «historisch», sagt Michael Hermann, Politologe bei Sotomo. Ein Platztausch könnte Auswirkungen auf die Zusammensetzung des Bundesrats haben: Wichtig sei der dritte Platz vor allem wegen der verbreiteten Ansicht, dass die drei grössten Parteien je zwei Sitze im Bundesrat erhalten sollten und die viertgrösste einen.
Bewegung von links nach rechts
Die SVP indes thront weiter auf dem Spitzenrang und gewinnt noch mehr an Fahrt. Mit einem Plus von aktuell 2 Prozentpunkten ist sie laut Sotomo die wahrscheinlichste Wahlsiegerin von 2023. Dies, während die Grünen – die 2019 noch am meisten zulegen konnten – zurzeit den grössten Verlust verzeichnen.
Die SP als zweitgrösste Partei hat zwar gegenüber früheren Umfragen leicht eingebüsst, dennoch kommt sie momentan auf einen Wähleranteil von 17.3 Prozent; das sind 0.5 Prozentpunkte mehr als noch vor vier Jahren.
«Die Trends haben sich verfestigt», sagt Politologe Hermann. Sowohl die Entwicklung bei der SVP als auch jene bei den Grünen sei eine langfristige. Insgesamt sei eine klare Bewegung von links nach rechts auszumachen. «Das ist eine Korrektur des Ergebnisses von 2019.»
Krankenkassenprämien sind neu die grösste Herausforderung
Im SRG-Wahlbarometer werden die Wählenden auch nach den wichtigsten politischen Herausforderungen gefragt. In dieser Legislatur landet dabei zum ersten Mal das Thema Krankenkassenprämien auf Rang 1: Für 39 Prozent der Befragten sind sie die wichtigste Challenge für die Politik.
Auch der Klimawandel (37 Prozent) zählt immer noch zu den drei grössten politischen Herausforderungen und ist wichtig für den Wahlentscheid, hat aber an Bedeutung verloren. Damit setzt sich laut Sotomo die «langsame und stetige Erosion der Bedeutung es Klimathemas fort».
Die Sorge um die Zuwanderung ist indes gewachsen: Während 2022 noch 20 Prozent die Zuwanderung als wichtigste politische Herausforderung ansahen, sind es aktuell 33 Prozent.
Die Wichtigkeit von Leitthemen
Was den Wahlentscheid zugunsten einer Partei angeht, haben SVP, Grüne und GLP ihre klaren Leitthemen: Während bei der SVP die Zuwanderung die grösste wahlrelevante Herausforderung darstellt, ist es bei den Grünen und der GLP der Klimawandel.
«Leitthemen sind in der Schweizer Politik sehr wichtig», sagt Hermann. Vor allem seien jene Themen von Gewicht, die polarisierten und von links und rechts unterschiedlich beurteilt würden, wie etwa Migration und Klima.
Wenn das Thema Krankenkassenprämien an Wichtigkeit gewinnt, dann hilft es tendenziell der Mitte.
Die Krankenkassenprämien, die aus Sicht der Wählenden ja aktuell die grösste politische Herausforderung darstellen, schreibt sich in erster Linie die Mitte auf die Fahne. Das könnte ihr laut Hermann grundsätzlich in die Hände spielen. Denn das Leitthema der FDP, die Wirtschaft, ist derzeit nicht sehr hoch im Kurs.
«Auf das Thema Krankenkassenprämien setzt die Mitte schon länger und davon profitiert die Partei jetzt», sagt Hermann. Man merke, dass die Basis die Partei mit diesem Thema identifiziert. «Wenn dieses Thema an Wichtigkeit gewinnt, dann hilft es tendenziell der Mitte.» Das heisse nicht, dass die FDP nicht noch aufholen könne, betont der Politologe: «Es ist ein völlig offenes Rennen.»
Vollständiger Wahlbarometer-Bericht