Wie ist der Rechtsrutsch zu erklären?
Die Community wollte vor allem wissen, wie die SVP so stark zulegen konnte. Was macht die SVP anders, um mehr Wählerinnen und Wähler für sich zu gewinnen? Zum einen habe die SVP von der Themenkonjunktur profitiert, erklärt der Politologe Urs Bieri. Themen wie Migration und Sicherheit hätten die Diskussion geprägt. «Andererseits ist die SVP seit Jahren Meisterin im permanenten Wahlkampf und der inneren Mobilisierung.» Keine andere Partei könne die eigenen Sympathisantinnen und Sympathisanten so gut für einen Urnengang mobilisieren wie die SVP.
Auch die Politologin Anke Tresch sieht die Themenkonjunktur als Hauptgrund für den Rechtsrutsch. «Fragen von Krieg, Sicherheit, Asyl, Migration haben die SVP begünstigt.» Die SVP politisiere zu diesen Themen schon seit Jahren sehr intensiv.
Die SVP ist seit Jahren Meisterin im permanenten Wahlkampf und der inneren Mobilisierung.
Sind die «Klimakleber» den Grünen zum Verhängnis geworden?
Die Grünen hätten sich von den «Klimaklebern» distanziert. Sie würden zwar deren politischen Ziele teilen, nicht aber deren Methoden, erklärt Tresch. Trotzdem seien die «Klimakleber» in der Öffentlichkeit hauptsächlich mit den Grünen assoziiert worden. «Es ist nicht auszuschliessen, dass der eine oder die andere aus diesem Grund die Grünen bei den Wahlen 2023 abgestraft hat.» Das sei aber nicht der Hauptgrund für die Niederlage gewesen. Die Themenlage habe den Grünen nicht in die Hände gespielt.
Welche Strategie verfolgt die FDP?
Eine Frage aus der Community richtet sich an die FDP. Sie hatte sich am Sonntag als Partei der «politischen Mitte» bezeichnet. Im Wahlkampfs ist sie aber vielerorts Listenverbindungen mit der SVP eingegangen. Wie ist das zu erklären? Die FDP stehe als bürgerliche Partei in Wirtschaftsfragen der SVP nahe, nicht aber in anderen Fragen wie Europa, so Urs Bieri.
«Es ist für eine Partei in der Schweiz entsprechend wichtig, im politischen Alltag Koalitionen und Verbündete in verschiedene Richtungen zu suchen.» Listenverbindungen seien aber kein Vertrag, um nach den Wahlen daraus eine systematische Symbiose zu machen.
Wie ist das positive Abschneiden der SP einzuordnen?
Das gute Abschneiden der SP zeige, dass die Wählerinnen und Wähler eine soziale Schweiz wollen, so eine Stimme aus der Community. Wie ist das vereinbar mit dem SVP-Sieg? «In der Tat gab es schon immer Kräfte im (rechts-)konservativen Lager, die sich für einen starken Sozialstaat eingesetzt haben», erklärt Politologin Cloé Jans. Zum Beispiel kleine Parteien am rechten Rand wie die SD, die Lega im Tessin oder auch die EDU. Die SVP hingegen verfolge einen klaren Kurs hin zu einem schwächeren Sozialstaat. «Das Erstarken der SVP hat darum meiner Meinung nach weniger mit dem Wunsch nach mehr Sozialstaat zu tun als vielmehr mit der generellen Unsicherheit in der Welt und dem Erstarken des Migrationsthemas in den letzten Monaten.»