Die Solothurner FDP unterstützt im zweiten Wahlgang den Ständeratskandidaten der SVP, Christian Imark. Die Aargauer FDP unterstützt im zweiten Wahlgang den Ständeratskandidaten der SVP, Benjamin Giezendanner. In den beiden Kantonen (und auch in anderen, vgl. Box unten) argumentieren die Freisinnigen mit der «ungeteilten Standesstimme». Es brauche eine rein bürgerliche Vertretung.
Ist die Mitte (zu) links oder rechts?
Doch die Definition von «bürgerlich» ist offenbar nicht so klar. In Solothurn wäre das bürgerliche Duo SVP-Mann Christian Imark und der bereits gewählte Mitte-Politiker Pirmin Bischof. «Bei der Mitte sind viele Leute klar bürgerlich, zum Beispiel Bauern», argumentiert Imark. Und: «Zusammengerauft haben wir uns im Interesse der Wirtschaftsverbände.»
Anders im Aargau: Hier kämpft der SVP-Kandidat gegen Marianne Binder von der Mitte-Partei. Die FDP empfiehlt sie nicht zur Wahl. Denn die Mitte habe sich «aus der bürgerlichen Zusammenarbeit in weiten Teilen verabschiedet», heisst es in einer Mitteilung. Während im Kanton Solothurn die Mitte für FDP und SVP also als bürgerlich gilt, wird sie im Aargau dem linken Lager zugerechnet.
Die politische Ausgangslage entscheidet wohl
Natürlich erklärt die politische Ausgangslage diese unterschiedliche Interpretation zum Teil: In Solothurn steht neben Christian Imark die klar linke SP-Nationalrätin Franziska Roth zur Wahl – die es aus Sicht von SVP und FDP zu verhindern gilt.
Im Aargau hingegen kämpft Mitte-Kandidatin Marianne Binder gegen die SVP. SP, Grüne, GLP und EVP haben sich zu ihren Gunsten aus dem Rennen genommen. SVP-Kandidat Giezendanner fragt deshalb bei Radio SRF: «Was sind die Konzessionen, die Marianne Binder gegenüber den linken Parteien machen musste?»
Darüber nervt sich Binder und fühlt sich in die linke Ecke gestellt. «Es ist doch ein Witz, dass ich nun plötzlich anders positioniert sein soll, nur weil ich von diesen Parteien unterstützt werde.» Natürlich habe sie im Gegensatz zur SVP zum Beispiel die Energiestrategie 2050 unterstützt. Aber verändert habe sie sich nicht.
Ein Blick in die Smartvote-Profile zeigt tatsächlich: Der Solothurner Ständerat Pirmin Bischof und die Aargauer Mitte-Nationalrätin Marianne Binder unterscheiden sich kaum. Bischof wird sogar leicht linker positioniert. Trotzdem gilt er in seinem Kanton, zumindest in diesem Wahlkampf, offenbar als bürgerlich.
Warum eine (un-)geteilte Standesstimme?
Unabhängig davon bleibt die Frage, ob eine «ungeteilte Standesstimme» erstrebenswert sei. SP-Kandidatin Franziska Roth bestreitet dies. Die Solothurner Sozialdemokratie sei während 63 Jahren im Ständerat vertreten gewesen: «Wir haben gezeigt, dass wir zusammenarbeiten können. Wenn es für den Kanton nötig ist, dann stehen wir auch zusammen.»
Roth und Binder argumentieren, dass eine «gemischte» Vertretung die Bevölkerung in den Kantonen besser repräsentiere. Das gilt aus ihrer Sicht für die politischen Positionen, aber auch für das Geschlecht. «Gemischte Teams finden nachhaltigere Lösungen», sagt Roth.
FDP und SVP argumentieren dagegen, dass sich «geteilte Standesstimmen» quasi gegenseitig aufheben. «Für den Standort Solothurn wäre eine rein bürgerliche Politik wichtig», sagt Christian Imark.
Die Debatten zeigen: Es geht wohl nicht um präzise Definitionen. Es ist viel mehr ein ganz normaler Wettkampf der verschiedenen politischen Lager.