Wie lässt sich der Hochwasserschutz verbessern? Die Frage steht nach den schweren Unwettern in der Südschweiz im Fokus. Doch diese Diskussion greife zu kurz, sagt die Hydrologin Manuela Brunner. Denn für die beiden Wetterextreme liessen sich gemeinsame Schutz- und Anpassungsmassnahmen auf den Weg bringen.
SRF News: Manuela Brunner, Sie sagen, man müsse Hochwasser zusammen mit der Trockenheit denken. Wie kommen Sie zu diesem Schluss?
Manuela Brunner: Auf Hochwasser folgt irgendwann wieder Trockenheit. Denn hohe und tiefe Abflüsse wechseln sich ab. Deshalb bin ich der Überzeugung, dass wir bei der Planung von Schutz- und Anpassungsmassnahmen beide Extreme berücksichtigen müssen.
Sind das nicht völlig unterschiedliche Probleme – zu viel respektive zu wenig Wasser?
Die beiden Ereignisse unterscheiden sich in Bezug auf die Prozesse sehr wohl. Trotzdem können wir diese beiden Phänomene zusammen denken, wenn es um Schutz- und Anpassungsmassnahmen geht. Denn beide profitieren davon, wenn wir geeignete Speichermöglichkeiten schaffen. Diese können einerseits Hochwasserspitzen abfedern und andererseits Raum schaffen, um Wasser zu speichern, das im Trockenheitsfall wieder mobilisiert und genutzt werden kann.
Woran denken Sie konkret?
Dabei geht es um verschiedene Arten, wie Wasser über kurze und lange Zeitperioden zwischengespeichert werden kann. Es kann sich dabei zum Beispiel um einen natürlichen Speicher im Gewässerraum handeln. Dies kann man erreichen, indem man den Flüssen mehr Raum gibt, damit der Uferbereich wieder besser mit dem Flussnetzwerk verbunden ist. So entstehen in den Böden und im Grundwasserraum wieder neue Speichermöglichkeiten. Nach Hochwasserspitzen kann dieses Wasser im Trockenheitsfall wieder genutzt werden.
Ein anderes Beispiel sind künstliche Wasserspeicher, die insbesondere im Alpenraum beliebt sind. Hier denke ich an Wasserkraftspeicher, die auch umgenutzt werden können. Einerseits kann man sie nutzen, um Hochwasserspitzen abzufedern. Beim Hochwasserschutz wird das in der Schweiz auch schon aktiv betrieben. Andererseits könnte man das Wasser in diesen Speichern auch nutzen, um im Sommer die Bewässerung in unterliegenden Gebieten zu ermöglichen.
Wie gut ist die Schweiz aus Ihrer Sicht gegen Extremereignisse wie Trockenheit und Hochwasser aufgestellt?
Grundsätzlich sind wir nicht so schlecht aufgestellt. Vornehmlich bei Hochwasser sind wir sehr gut vorbereitet. Die Vorhersage- und Warnsysteme sind gut und wir verfügen über einen sehr aktiven Gebäudeschutz. Ebenso sind Behörden, Feuerwehr und weitere Akteure relativ gut eingespielt und auf diese Extremereignisse vorbereitet.
Einen kompletten Schutz vor Extremereignissen gibt es nicht und er wird auch nicht angestrebt.
Bei der Bewältigung der Trockenheit sieht es ein bisschen anders aus. Diese ist noch nicht so lange auf dem Radar der Öffentlichkeit wie die Hochwasser. Aber auch hier wird 2025 ein landesweites Warnsystem lanciert. Auch bei den Massnahmen ist in den letzten Jahren sehr viel passiert. Man hat sich etwa überlegt, wie man Wasserversorgungssysteme zwischen den Gemeinden besser vernetzen oder die Wasserversorgung in der Landwirtschaft verbessern kann.
Ganz werden sich folgenschwere Extremereignisse aber nie verhindern lassen.
Einen kompletten Schutz gibt es nicht und er wird auch nicht angestrebt. Das wäre auch viel zu teuer und raumplanerisch gar nicht umsetzbar. Die Politik, die Behörden und die Forschung tun aber ihr Bestes, um für die Zukunft die nötigen Voraussetzungen zu schaffen.
Das Gespräch führte Vera Deragisch.