Die Vision der 2000-Watt-Gesellschaft, die sich die Stadt Zürich 2008 in die Verfassung geschrieben hat, ist zwar noch lange nicht erreicht. Doch genügt das Ziel, nur noch 2000 Watt Energie pro Kopf zu beanspruchen und den CO2-Ausstoss bis 2050 auf eine Tonne zu reduzieren, der politischen Mehrheit in der grössten Schweizer Stadt heute nicht mehr.
Der Gemeinderat – das Parlament der Stadt Zürich – hat die Regierung vor gut einem Jahr beauftragt, das Klimaziel zu verschärfen – auf eine Netto-Null bis 2030. Nun legt der Stadtrat auf der Grundlage eines externen Berichts dar, welche Szenarien möglich sind.
Einfach und schnell geht es nicht
Dabei wird schnell klar: auf null reduzieren lassen sich die Emissionen bis 2030 – auch unter grössten Anstrengungen – nicht. Das liegt erstens daran, dass die Stadt selbst nur etwa 20 Prozent der Emissionen, die ihre Bewohnerinnen und Bewohner verursachen, direkt steuern kann – diejenigen von Heizungen und aus dem Verkehr nämlich.
Den grossen Rest, den Treibhausgasaustoss, den die Bewohner und Bewohnerinnen beim Fliegen, Essen, Kleiderkaufen verursachen, kann die Stadt nur indirekt beeinflussen. Und auch da, wo sie direkten Einfluss hat, kann die Stadt nur klimafreundliche Lösungen wie Erdsondenheizungen und Elektroautos fördern, klimaschädliche Benzinmotoren und Ölheizungen verbieten, kann sie nicht.
Hoffen auf neue technische Möglichkeiten
Und zweitens gibt es Bereiche, in denen eine Reduktion auf null praktisch unmöglich ist. Zum Beispiel die Ernährung. Sie ist in der Stadt Zürich für rund ein Sechstel der Treibhausgas-Emissionen verantwortlich. Mit ehrgeizigen Massnahmen liessen sich gemäss dem neuen Bericht in diesem Bereich die Emissionen bis 2030 gerade mal um 17 Prozent reduzieren. Um das Netto-Null-Ziel bis dann zu erreichen, müsste Zürich also CO2 kompensieren.
Im Stadtgebiet CO2 natürlich abzubauen – durch Aufforstung zum Beispiel – ist selbstredend nur in sehr beschränktem Ausmass möglich. Und technische Lösungen, um CO2 aus der Luft zu holen, sind noch und bleiben wohl noch länger teuer.
Trotz Fragezeichen an Tempo zulegen
Apropos Kosten: In diesem Punkt kommt der Bericht zu einem Schluss, der zwar nicht neu ist, der die Befürworterinnen und Befürworter von mehr Klimaschutz aber beflügeln wird: auch deutlich höhere Klimaschutz-Investitionen als heute lohnen sich mittel- und langfristig. Insbesondere die Schäden, die ein ungebremster Klimawandel anrichten würde, kämen nämlich um ein Vielfaches teurer.
Kurz: Die Stadt Zürich will an Tempo zulegen im Klimaschutz – wie viel, liess sie heute offen. Im Frühjahr 2021 will sich der Stadtrat auf ein neues Klimaziel festlegen. Man kann davon ausgehen, dass eine Netto-Null angestrebt wird – bis vor 2050, aber kaum schon 2030.