Thomas Jordan hat überraschend seinen Rücktritt als Präsident der Schweizerischen Nationalbank angekündigt: Auf Ende September will er die SNB nach 27 Jahren verlassen. Im Gespräch mit SRF News blickt der Notenbank-Chef zurück auf bewegte Jahre, in der sich die Krisen die Klinke in die Hand gaben.
SRF News: Weshalb treten Sie zurück, Herr Jordan?
Thomas Jordan: Ich bin seit zwölf Jahren Präsident der Schweizerischen Nationalbank. Das ist eine lange Zeit. Die letzten Jahre waren stürmisch, die Herausforderungen gross. Nun ist es etwas ruhiger geworden. Die Preisstabilität ist wiederhergestellt, die Inflation liegt unter zwei Prozent und die Finanzstabilität ist gesichert worden. Ich bin zur Überzeugung gelangt, dass jetzt der richtige Zeitpunkt für den Rücktritt ist.
Sie hatten phasenweise gesundheitliche Probleme und waren viel Stress ausgesetzt – nicht zuletzt während der CS-Krise. Wurde der Druck des Amtes zu gross?
Nein. Ich fühle mich absolut fit und könnte, was meine gesundheitliche Verfassung angeht, noch lange SNB-Präsident bleiben. Ich bin jetzt 27 Jahre bei der Nationalbank und 17 Jahre davon im Direktorium. Der Zeitpunkt für einen Rücktritt ist gut.
Während Ihrer Zeit als Nationalbank-Präsident gab es viele Herausforderungen. Die Imagepflege nach der «Affäre Hildebrand», die Aufhebung des Euro-Mindestkurses, die Corona-Pandemie und die Credit-Suisse-Notübernahme: Was war aus Ihrer Sicht die grösste Herausforderung?
Das ist schwierig zu sagen. Eine bestimmte Krise zu bewältigen, ist nie leicht. Es braucht immer volle Konzentration. In den letzten zwölf Jahren gab es praktisch keine Zeit ohne grössere Herausforderungen. Am Schluss konnten wir die Probleme lösen und die Preis- und Finanzstabilität gewährleisten. Insgesamt hat die Nationalbank ihre Aufgabe in dieser Zeit erfüllt.
Es ist Aufgabe des Bankrats, eine geeignete Persönlichkeit zu finden – und ich bin überzeugt, dass er das tun wird.
Ein Nachfolger oder eine Nachfolgerin steht noch nicht fest. Welches Profil muss eine Notenbankerin oder ein Notenbanker erfüllen?
Das Gesetz schreibt vor, was man dafür mitbringen muss. Es ist jetzt Aufgabe des Bankrats, des Aufsichtsgremiums der Nationalbank, eine Person zu finden und diese dann dem Bundesrat vorzuschlagen.
Martin Schlegel gilt als Ihr Vertrauter und hat unter Ihnen als Praktikant angefangen. Unterdessen ist er Vizepräsident der Nationalbank. Ist er für Sie gesetzt als neuer Präsident der Nationalbank?
Ich bin nicht befugt, mich hier einzumischen. Mehr kann ich dazu nicht sagen. Die Prozesse sind klar und man sollte sie auch befolgen.
Wäre es Ihrer Meinung nach Zeit für eine Frau an der Spitze der Nationalbank?
Es ist wichtig, dass der Bankrat die bestmögliche Person findet. Es gab schon eine Frau im Direktorium der Nationalbank. Es ist durchaus möglich, dass wieder eine Frau gewählt wird. Es ist Aufgabe des Bankrats, eine geeignete Persönlichkeit zu finden – und ich bin überzeugt, dass er das tun wird.
Sie hinterlassen bei der SNB eine aufgeblähte Bilanz. Ist das eine Hypothek für Ihre Nachfolgerin oder Ihren Nachfolger?
Die Bilanz ist das Ergebnis unserer Geldpolitik. Wir haben fünfzehn Jahre lang Krisen in der Schweiz bekämpft. Dadurch ist die Schweiz im Vergleich mit anderen Ländern auch sehr gut durch diese Krisen gekommen. Wir hatten viel weniger wirtschaftliche Einbrüche und andere Probleme. Wir haben die Bilanz schon etwas reduziert. Es wird Aufgabe des kommenden Direktoriums sein, zu schauen, ob und wie es diese Bilanz weiter reduzieren kann.
Wenn Sie Geldpolitik machen, machen Sie das immer mit grosser Unsicherheit. Es stellt sich erst später heraus, was die richtige Entscheidung war.
Die Kernaufgabe der SNB ist es, für Preisstabilität zu sorgen. Sind Sie rückblickend zufrieden damit? Haben Sie etwa die Inflation nach der Corona-Pandemie früh und entschlossen genug bekämpft?
Das Urteil darüber überlasse ich gerne anderen. Wir können aber sicher sagen, dass wir im internationalen Vergleich ausgesprochen gut dastehen. Die Inflation lag in der Schweiz im Maximum bei 3.5 Prozent, im Ausland lag sie über zehn Prozent. Hierzulande lag die Inflation auch nur etwa anderthalb Jahre oberhalb von zwei Prozent. Jetzt ist sie bereits wieder bei etwa 1.5 Prozent. Die Preisstabilität ist über die gesamte Zeit sehr gut eingehalten worden, auch das Preisniveau ist sehr stabil geblieben. Die Nationalbank hat ihren Auftrag erfüllt.
Gibt es Fehler, aus denen Sie gelernt haben?
Wenn Sie Geldpolitik machen, machen Sie das immer mit grosser Unsicherheit. Es stellt sich erst später heraus, was die richtige Entscheidung war. Mit dieser Unsicherheit muss man leben. Man muss möglichst robuste Entscheide treffen, die unter vielen verschiedenen Szenarien akzeptable Ergebnisse herbeiführen. Ich glaube, das ist uns recht gut gelungen.
Das Gespräch führte Pascal Lago.