Eine der wichtigsten Tugenden eines Notenbank-Chefs oder einer Notenbank-Chefin ist, Unaufgeregtheit auszustrahlen. Denn: Wenn sie auftreten, können sie Milliarden vernichten, allein dadurch, dass sie nicht überzeugend wirken. Und überzeugend heisst in diesem Fall: unspektakulär oder eben langweilig.
Das ist Thomas Jordan meistens gut gelungen – egal welche Krise gerade die Finanzindustrie erschütterte oder den Franken zu neuer, nie dagewesener Stärke trieb. Am Anfang wirkte er zuweilen noch etwas hölzern, zunehmend fand er aber zu einem eigenen Stil bei seinen Auftritten.
Enorme Machtfülle
Die Machtfülle dieses Amtes ist immens. Die Institution Nationalbank ist die Hüterin der Landeswährung. Sie muss dafür sorgen, dass Preisstabilität herrscht und die Teuerung nicht davongaloppiert, aber die Wirtschaft auch nicht in einer Deflation versinkt.
Sie muss den Finanzmarkt stabil halten und den Akteuren in diesem Markt, sprich den Banken, in die Bücher schauen. Zu den finanztechnischen und geldpolitischen Aufgaben kommen noch viele weitere dazu – bis hin zu Gestaltungsfragen und Sicherheitsmerkmalen bei neuen Banknoten.
Die zwölf Jahre an der Spitze der Schweizerischen Nationalbank (SNB) waren herausfordernd. Die grosse Finanzkrise wirkte nach, die Euro-Krise liess den Franken erstarken, die Negativzinsen stellten irgendwie alles auf den Kopf und die Dauerkrise der Credit Suisse, die schliesslich vor einem Jahr vor dem totalen Absturz gerettet wurde, setzte noch einen obendrauf.
Nebengeräusche und Kritik
In all diesen Situationen agierte Thomas Jordan geschickt und mit Voraussicht – aber nicht immer ohne Nebengeräusche. Seine Machtfülle kam in die Kritik. Die Art und Weise, wie er den Franken steuerte, ebenso – mal war es zu viel, mal zu wenig.
Auch Organisatorisches wurde bemängelt, etwa dass zu wenig Frauen in Leitungspositionen bei der SNB seien und ein ungutes internes Klima herrsche. Oder dass die SNB ihre Devisen auch in Unternehmen investiere, die punkto Nachhaltigkeit nicht ohne Fehl und Tadel seien, oder dass die Vergütung von Thomas Jordan – im Jahr 2022 lag sie bei 1.036 Millionen Franken – zu hoch sei.
Auch rund um die Personalie Andréa Maechler knarzte es laut bei der SNB. Die erste und bislang einzige Frau im Direktorium wurde als mögliche Stellvertreterin von Thomas Jordan übergangen und arbeitet mittlerweile bei der Bank für Internationalen Zahlungsausgleich.
Was solche Kritik mit Thomas Jordan genau machte, man weiss es schlicht nicht. Ab und zu war bei ihm aber schon eine Irritation spürbar, wenn sehr kritische und vor allem nicht ökonomische Fragen an ihn gerichtet wurden.
Aber er hat auch einen gewissen Schalk. Ein Beispiel: Gegen den Schluss der Sendung «Eco Talk» am 31. Januar 2022 sagte Thomas Jordan auf die Frage, was sein grösstes Hobby sei: «Die SNB.» Und lächelte für seine Verhältnisse sehr verschmitzt. Wenn er also Ende September sein Büro räumt, muss er sich auch ein neues Hobby suchen. Und sowieso hinterlässt er grosse Fussstapfen. Wer in sie tritt, ja überhaupt treten kann – es bleibt abzuwarten.