Zurzeit sichert sich China Flüssiggas, sogenanntes LNG, aus der ganzen Welt. 15 Prozent aller LNG-Verträge, die in den nächsten fünf Jahren zu laufen beginnen, habe China abgeschlossen, hat die Nachrichtenagentur Bloomberg ausgerechnet.
Laut Bloomberg wird China Japan als weltgrössten LNG-Importeur bald überholen. Die internationale Energieagentur IEA warnte anfangs der Woche denn auch davor, dass Europa das Nachsehen haben könnte, in Sachen Flüssiggas-Importe. Zur Erinnerung: Es sind LNG-Importe, die in Europa das russische Pipeline-Erdgas grösstenteils ersetzt haben.
Europas Angst vor Gasengpässen übertrieben
Der Ökonom Christof Rühl, der am Center for Global Energy an der Columbia Universität in New York lehrt und früher Chefökonom beim Erdölkonzern BP war, hält die Angst vor neuen Gasengpässen allerdings für übertrieben. Denn: «China kauft ein, das ist richtig, aber das haben sie auch schon immer gemacht, weil die Versorgungssicherheit einen hohen Stellenwert hat», sagt der Energie-Ökonom.
Zudem gebe es einen zweiten Grund, wieso China momentan sehr viele lang laufenden Lieferverträge abschliesse: «Langfristige Verträge sind besser kalkulierbar und die Preise sind zurzeit tief.»
Langfristig stellt China auf eigene Reserven um.
Christof Rühl geht davon aus, dass die Gaspreise über den Sommer niedrig – im Winter dann wieder etwas ansteigen könnten. Auf welches Niveau allerdings, da sind sich die Experten nicht einig, weil vieles davon abhängt, wie stark die Wirtschaft in China wachsen wird.
Längerfristig macht sich Christof Rühl aber keine grossen Sorgen um Europa und seinen Gasbedarf. Denn oft werde vergessen, dass China auf grossen Schiefergasreserven sitze: «China besitzt mehr Schiefergasvorkommen als die USA.» Es gebe aber verschiedene Gründe, warum diese Schiefergasvorkommen noch nicht angezapft wurden.
Man muss davon ausgehen, dass in Zukunft dieser Schatz gehoben wird und damit wird China relativ unabhängig sein von Gasimporten.
Politische Gründe seien zum Beispiel, dass die Schiefergasvorkommen in chinesischen Regionen lägen, deren Lokalregierungen mit den zentralstaatlich gelenkten Öl- und Gaskonzernen nicht zusammenarbeiten wollten. Auch sei der Gaspreis in China immer noch staatlich reguliert, daher sehr tief und damit lohnten sich die Anfangsinvestitionen für die Erschliessung der Schiefergasvorkommen momentan noch nicht, sagt Christof Rühl weiter.
«Man muss davon ausgehen, dass in Zukunft dieser Schatz gehoben wird und damit wird China relativ unabhängig sein von Gasimporten», erklärt Rühl weiter.
Mehr Gas – weniger Kohle
Und diese angestrebte Unabhängigkeit von LNG-Importen erkläre zusätzlich, wieso sich China auf Teufel komm raus mehr Flüssiggas sichere, weil man nämlich die Wirtschaft auf mehr Gas und weniger Kohle umstellen wolle.
China baut zwar immer noch viele Kohlekraftwerke, aber der Kohlebedarf am chinesischen Energieverbrauch sinkt – und jener von Gas steigt.
Gute Nachrichten für Europa
Absolut gesehen wachsen Kohle- und Gasverbrauch natürlich weiter, weil die chinesische Wirtschaft wächst. Das gilt aber für die ganze Welt, auch mit Blick auf die Energiewende.
Für Europa ist es jedenfalls eine gute Nachricht, dass China gasmässig irgendwann autark sein wird, auch wenn das noch einige Jahre dauert. Weil so mehr Schiffe mit Flüssiggas an Bord aus dem Nahen Osten, Afrika und den USA an europäischen Flüssiggasterminals abladen können.