Waren es am Donnerstag noch vier, wurde das Bundesverwaltungsgericht am Freitag regelrecht mit Beschwerden überflutet, wie es SRF bestätigt hat. Das Gericht geht davon aus, dass es mehrere hundert Kläger sein werden, die gegen die Verfügung der Finanzmarktaufsicht (Finma) Einsprache erheben.
Im Zentrum der Rechtsstreitigkeit stehen die Abschreibungen der sogenannten AT1-Anleihen. Diese hat die Credit Suisse in den vergangenen zehn Jahren zur Sicherung des Eigenkapitals zu unterschiedlichen Zinssätzen von rund 3.8 bis 9.8 Prozent herausgegeben. Die Anleihen hatten einen Gesamtwert von 16 Milliarden Franken. Doch mit der CS-Rettung wurden sie durch eine Verfügung der Finma wertlos.
Um welche Produkte geht es? Additional-Tier-1-Anleihen (AT1) sind eine besondere Art von Obligationen. Die Anleger geben einem Unternehmen einen Kredit und erhalten dafür einen Zins. Kann das Unternehmen seine Schulden nicht mehr ausreichend decken, werden AT1-Anleihen an einem bestimmten Punkt automatisch in Aktien umgewandelt. Kommt es zum Konkurs, könnten herkömmliche Obligationäre noch Geld erhalten. Aber nur, wenn in der Konkursmasse noch etwas übrigbleibt, nachdem vorrangige Verpflichtungen wie Löhne oder Pensionskassenbeiträge ausbezahlt worden sind. Die AT1-Investoren hingegen verlieren – wie alle Aktionäre auch – ihr gesamtes Geld. Im Fall der CS gibt es aber eine Besonderheit: Der AT1-Prospekt sieht vor, dass AT1-Anleihen auf null abgeschrieben werden können, wenn der Bund die CS stützen muss.
Was kritisieren die Kläger? Die vier Kläger, die bis am Donnerstag bekannt waren, besassen AT1-Anleihen im Wert von 4.5 Milliarden Franken. Sie bemängeln unter anderem, dass deren Abschreibung nicht nötig gewesen wäre, weil die CS jederzeit die regulatorischen Kapitalanforderungen erfüllt habe. Seit Oktober 2022 sei klar gewesen, dass sich die CS nicht in einer Liquiditäts- oder einer Kapitalkrise befunden habe, sondern in einer Vertrauenskrise. Eine Abschreibung sei zwar bei staatlicher Unterstützung grundsätzlich möglich, aber nur, wenn das zu einer unmittelbaren Verbesserung der Kapitalausstattung führe. Das sei hier nicht der Fall gewesen.
Wie sind diese Klagen einzuschätzen? Eine Einschätzung über den Erfolg dieser Klagen ist derzeit schwierig, tatsächlich scheinen noch nicht alle Fragen zur überhasteten Umsetzung des Notrechts abschliessend geklärt. Sollten sich die Kläger vor Gericht durchsetzen, wäre es theoretisch möglich, dass Schadenersatzforderungen in Milliardenhöhe auf die Steuerzahler und -zahlerinnen zukommen oder die Abschreibung der AT1-Anleihen sogar aufgehoben wird.
Drohen noch weitere Klagen? Gemäss Medienberichten planen zahlreiche Investoren aus Singapur und offenbar auch aus anderen Ländern Klagen gegen die Eidgenossenschaft aufgrund eines Staatsvertrags, der ausländische Direktinvestitionen in der Schweiz schützt. Solche Klagen würden nicht vom Bundesverwaltungsgericht beurteilt, sondern von einem extra für diese Klage aufgestellten Schiedsgericht. Dieses besteht aus drei Personen, je eine von der Kläger- und Beklagtenseite, die sich dann auf eine dritte Person für den Vorsitz einigen müssten. Verhandlungen und Urteil sind geheim. Das Urteil ist endgültig, es besteht keine Berufungsinstanz. Inwieweit AT1-Anleihen als Direktinvestitionen zu qualifizieren sind, dürfte die Knacknuss für eine solche Klage sein.