Die Zeiten als Wein und Bier fix zum Mittagsmahl oder einem Abendessen dazu gehörten, sind längst vorbei. Seit über 100 Jahren trinkt die Bevölkerung in der Schweiz von Jahr zu Jahr weniger Alkohol. An dieser Entwicklung werde auch ein allfälliges Ja der Migros-Genossenschafterinnen und Genossenschafter nichts ändern, so der Tenor in der Branche.
Jörg Schönberg, Gründer und Verwaltungsrat von Doppelleu Boxer, einer der grossen, unabhängigen Brauereien der Schweiz, sagt: «Wenn das angenommen wird, trinken wir in der Schweiz nicht mehr Bier, wir haben einfach eine Verkaufsstelle mehr.»
Bei einem Ja trinken wir in der Schweiz nicht mehr Bier, wir haben einfach eine Verkaufsstelle mehr.
Gleich sieht es Remo Kobluk, Geschäftsführer der Brauerei Rugenbräu in Interlaken. Er schliesst jedoch einen allfälligen Preiskampf zwischen Brauereien und Grossverteilern nicht aus: Wenn auch die Migros Alkohol verkaufe, sei es möglich, «dass die Mitbewerber die aktuellen Regalpreise begutachten und wir dann Gespräche führen müssten», glaubt Kobluk.
Grundsätzlich machen sich die Bierbrauereien also keine Illusionen. Anders die Situation in der Weinbranche: Da sinkt nicht nur der Pro-Kopf-Konsum, sondern die Schweizer Weinproduzenten verlieren auch noch Marktanteile an die ausländische Konkurrenz.
Wir hoffen, dass die Migros den strategischen Entscheid trifft, auf Schweizer Wein zu setzen.
Deshalb hoffen die inländischen Produzenten innigst auf ein Ja. «Wir hoffen, dass die Migros den strategischen Entscheid trifft, auf Schweizer Wein zu setzen», sagt dazu Marco Romano, Präsident des Branchenverbands «Schweizer Reben und Weine».
Die Migros als Promotionskanal und Verkaufsstelle für Schweizer Weine – damit hätte der Gründer Gottlieb Duttweiler kaum Mühe. Er selbst wollte einst mit Weinaktionen den Konsum von einheimischem Rebensaft ankurbeln, wie er in den 1950-Jahren in einem Interview verriet.
Es könnte durchaus sein, dass es für uns als Marktteilnehmer komplizierter wird.
Auch Spirituosenhändler André Parsic glaubt nicht an eine Trendumkehr. Er ist Geschäftsführer von Dettling&Marmot, einem Familienunternehmen, das Spirituosen importiert. Bei einem Ja zu Alkohol in der Migros stellen sich ihm vor allem praktische Fragen: «Wie handeln das Denner und Migros, die ja zusammengehören? Wird es da nicht ein Kompetenzgerangel geben? Es könnte durchaus sein, dass es für uns als Marktteilnehmer komplizierter wird.»
Darüber hinaus stellt André Parsic die Frage, ob die Migros nicht besser an der alkoholfreien Strategie festhalten würden. Denn gerade alkoholfreie Spirituosen seien gefragt. Auch die Brauereien sehen bei alkoholfreien Getränken weiteres Wachstumspotenzial. Da stehe man erst ganz am Anfang.