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Ende von Diversity-Zielen Wollen Konzerne am liebsten nur noch weisse Männer?

Jahrzehnte lang haben sich Firmen darum bemüht, möglichst gemischte Teams aufzubauen. Aus der Überzeugung, dass Diversität, Gleichberechtigung und Inklusion gesellschaftlich richtig sind – aber auch wirtschaftlich mehr Erfolg bringen. Mit dem Amtsantritt von Donald Trump ist die Welt eine andere.

Trump ist seit seinem ersten Amtstag darum bemüht, die «biologische Wahrheit», wie er es nennt, in der US-Verwaltung wieder herzustellen. Sämtliche Hinweise auf das Geschlecht müssen verschwinden, aus E-Mail-Absendern, aus Verträgen, aus Dokumenten.

Auch Begriffe wie «Diversity, Equality and Inclusion» (DEI) werden zurzeit aus allen Verträgen und Dokumenten gestrichen. Das gilt nicht nur innerhalb der US-Verwaltung, sondern auch ausserhalb: Wer in irgendeiner Form mit der US-Verwaltung zu tun hat, in einem vom Bundesstaat finanzierten Projekt engagiert ist oder auf einem PC arbeitet, der von einem US-Regierungsprogramm finanziert wurde, darf keine Geschlechtspronomen mehr im E-Mail-Absendern führen. Etwas, das sich in den USA in Wissenschaft und Wirtschaft etabliert hatte.

Das Beispiel Deloitte

Das jüngste Beispiel ist Deloitte, eines der grössten internationalen Beratungsunternehmen. Deloitte hat in einer Mail, die der «Financial Times» vorliegt, jene 15'000 Angestellten, die mit der US-Regierung zu tun haben, angewiesen, alle Geschlechtspronomen aus ihren E-Mail-Absendern verschwinden zu lassen. Begründung: Man müsse sich den neuen Gegebenheiten anpassen, so die Führungsspitze. In einer zweiten Mail hat Deloitte angekündigt, die jährlichen Diversitäts-, Gleichheits- und Inklusion-Ziele zu versenken.

Unternehmen müssen sich anpassen, wenn sich soziale Normen verändern. Wenn es hart auf hart geht, dann sind Firmen opportunistisch.
Autor: Katja Rost Soziologieprofessorin Universität Zürich

Damit ist Deloitte in guter Gesellschaft. Immer mehr amerikanische Grossfirmen geben Trumps «biologischer Wahrheit» nach.

Für Katja Rost, Soziologieprofessorin an der Universität Zürich, ist die Kehrtwende der Firmen keine Überraschung: «Unternehmen müssen sich anpassen, wenn sich soziale Normen verändern. Wenn es hart auf hart geht, dann sind Firmen opportunistisch.»

Opportunistisch heisst hier: Wer weiterhin Aufträge aus Washington will, muss sich anpassen. Und auf die explizierte Förderung von Minderheiten, Frauen, Behinderten oder auch LGBTQ-Menschen verzichten.

Backlash aber auch Widerstand

«Das ist die aktuelle Backlash-Politik von weissen Männern», sagt Julia Nentwich, Ökonomieprofessorin an der Universität St. Gallen. Warum diese Unternehmen mitzögen, sei ihr aber nicht wirklich klar.

«Natürlich könnte es die Angst vor dem aktuellen politischen Klima sein», sagt Nentwich. Allerdings habe die eine oder andere Firma vielleicht auch nur auf eine gute Gelegenheit gewartet, um die Programme wieder abschaffen zu können. Weil es immer schon Alibi-Übungen gewesen seien.

Wir werden nicht verschwinden.
Autor: Amira Barger DEI-Beauftragte des US-Beratungsunternehmens Edelman

DEI-Expertinnen hoffen, dass nicht alles so heiss gegessen wird, wie nun angekündigt. So sagt Amira Barger, DEI-Beauftragte des US-Beratungsunternehmens Edelman: «DEI-Initiativen und -Programme gibt es seit Jahrzehnten. Wir werden nicht verschwinden.» Viele Firmen würden die Programme nun einfach anders benennen und im Hintergrund weiterhin auf Gleichberechtigung und Inklusion setzen.

Zudem gibt es auch Firmen, die sich dem Trumpschen Diktat explizit nicht beugen. So bitte die Apple-Chefs die Aktionäre an der Generalversammlung Ende Februar, nicht auf eine Aktionärsgruppe zu hören, welche sämtliche Diversitätsprogramme abschaffen will. Ihr Argument: Die Zusammensetzung der Belegschaft sei Sache des Managements.

SRF 4 News, 12.2.2025, 16:14 Uhr

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