Immer weiter steigende Schulden: Diese Tendenz sei beunruhigend, sagt Ökonom Klaus-Jürgen Gern vom Institut für Weltwirtschaft in Kiel. «Wir haben auf einen ohnehin hohen Berg von Schulden in der Pandemie massiv draufgesattelt.»
Denn Staaten mussten wegen der Pandemie nicht nur höhere Gesundheitsausgaben stemmen; viele – vor allem die grösseren – versuchten zudem, mit milliardenschweren Konjunkturprogrammen auf Pump den drohenden Absturz der Wirtschaft zu bremsen.
Immer mehr Schulden zu machen, war für viele Länder über lange Jahre kein Problem: Die Zinsen waren niedrig, neue Schulden gab es fast umsonst. «Der Schuldendienst, die Zinsbelastung, ist gemessen an der Wirtschaftsleistung in den meisten Ländern überhaupt nicht gestiegen. Sie ist zum Teil sogar gesunken, obwohl der Schuldenberg grösser geworden ist», sagt Ökonom Klaus-Jürgen Gern.
Zinsen steigen weltweit
Doch jetzt steigen die Zinsen an den Kapitalmärkten wieder. Auch grosse Notenbanken wollen mit höheren Zinsen die steigende Inflation, den Preisauftrieb, bremsen. Er ist in Ländern wie den USA auf rund acht Prozent gestiegen ist.
Die Zinsen für Kredite sind deutlich gestiegen. Das macht nicht nur neue Kredite, sondern auch die Umschuldung alter Kredite teurer, die irgendwann ansteht. Die Folge: Unternehmen, Privatleute und Staaten müssen deutlich mehr Geld zur Seite legen, um ihre Kredite zu bezahlen. Dieses Geld fehlt dann an anderer Stelle.
Und plötzlich könnten hohe Schulden, die jahrelang niemanden zu stören schienen, zum Problem werden, sagt Gern. Sri Lanka hat schon kapitulieren müssen: Der Inselstaat erklärte sich für zahlungsunfähig, weil ihm das Geld ausgegangen war.
Andere könnten folgen. «Es gibt eine Reihe von Ländern, insbesondere bei den Schwellen- und Entwicklungsländern, wo das Risiko besteht. Denn zu den steigenden Schuldendienstkosten kommt hinzu, dass die Preise für notwendige Importe sehr stark gestiegen sind.»
Und in vielen dieser ärmeren Länder müssen Staaten – angesichts der steigenden Inflation – Grundnahrungsmittel zu bezahlbaren Preisen zur Verfügung stellen, sonst drohten soziale Unruhen.
Deutlich besser dran sind Industriestaaten wie die USA. Weil sie gross und stabil sind, können sie auch die teurer gewordenen Schulden problemlos stemmen. «Dadurch, dass die USA beispielsweise die Weltreservewährung bereitstellen, können sie sich immer am eigenen Schopf aus dem Sumpf ziehen. Das ist anderen Ländern, die auf den Dollar angewiesen sind, nicht möglich.»
Die USA – und andere grosse Industrieländer etwa in der Euro-Zone – sind in der gegenwärtig schwierigen weltwirtschaftlichen Lage dagegen sogar doppelt im Vorteil: Dank der eigenen starken Währung können sie nicht nur leichter Schulden machen; die Inflation hilft ihnen auch, die hohen Schuldenberge leichter wieder loszuwerden.
Das funktioniert allerdings nur, solange die Inflationsrate höher ist als die Zinsen. «Das ist ein klassischer Weg der Bereinigung einer Staatsschuldenkrise», sagt Gern. Denn der Betrag der Schulden bleibt zwar gleich hoch, aber sie sind wegen der Inflation weniger wert.
Gut für grosse Staaten, schlecht für Gläubiger, für Sparerinnen und Sparer. «Weil denen auf der anderen Seite dann das Vermögen abhandenkommt.» Denn die Inflation frisst nicht nur Schulden, sondern auch Erspartes.