«Die Situation ist so klar: Wir verlieren seit drei Jahren an Reallohn und das ist eine komplette Neuheit in der schweizerischen Geschichte.» Das sagt SGB-Präsident Pierre-Yves Maillard.
Auch das Bundesamt für Statistik bestätigt, dass die durchschnittlichen Reallöhne in den letzten drei Jahren gesunken sind. Das kann der Direktor des Arbeitgeberverbandes, Roland Müller, nicht von der Hand weisen. Nach der Corona-Zeit sei die Teuerung angestiegen und die Reallöhne hätten da nicht mitgehalten.
Teuerung soll automatisch ausgeglichen werden
Die Gewerkschaften zeigen mit dem Finger auf die Arbeitgeber. SGB-Chefökonom Daniel Lampart spricht von einer neuen Härte der Arbeitgeber bei den Lohnverhandlungen. Tatsächlich garantierten früher viele Gesamtarbeitsverträge, dass die Teuerung automatisch ausgeglichen werden muss.
Es gibt heute kaum mehr Teuerungsausgleich.
Die Arbeitgeber hätten diese Regelung in den GAV aber konsequent angegriffen, so Lampart. «Es gibt heute kaum mehr Teuerungsausgleich.» In jeder Lohnverhandlung beginne man bei null. «Das heisst, dass die Löhne am Schluss sinken bei den Arbeitnehmern und deshalb muss man den Teuerungsausgleich wieder einführen in die GAV.»
Auch hier pflichtet Müller im Wesentlichen bei. Die Arbeitgeber hätten den automatischen Teuerungsausgleich weg haben wollen und begründet dies damit, dass es bis vor kurzer Zeit praktisch keine Teuerung gegeben habe.
Sollte eine Phase kommen, wo die Teuerung länger hoch bleiben wird, dann werden Verhandlungen geführt, auch harte Verhandlungen.
«Wir kommen aus einer Zeit, wo Nullteuerung war. Entsprechend ist naheliegend, dass man die Lohnerhöhungen primär individuell gewähren wollte, sodass eben diese generellen Klauseln eher wegverhandelt worden sind.»
Für die Gewerkschaften ist jetzt mit den höheren Strompreisen, Mieten und Krankenkassenprämien der richtige Zeitpunkt, um die Teuerung wieder automatisch auszugleichen. Roland Müller weist dies nicht zurück. «Sollte eine Phase kommen, wo die Teuerung länger hoch bleiben wird, dann werden Verhandlungen geführt, auch harte Verhandlungen.» Dann werde sich zeigen, ob dieser generelle Anteil wieder Einzug finde.
Um ihren Forderungen mehr Druck zu verleihen, haben die Gewerkschaften am 16. September eine grosse nationale Kaufkraftdemo in Bern angekündigt. Denn bei vielen aktuellen Fragen rund um die Kaufkraft sind nicht die Arbeitgeber gefordert, sondern die Politik, etwa bei der Verbilligung der Krankenkassenprämien.
Gewerkschaften erhöhen den Druck
Die Politik müsse mehr Geld in die Hand nehmen, um die höheren Krankenkassenprämien abzufedern, fordern die Gewerkschaften. Dieser Vorwurf richtet sich zum Beispiel an die Mitte-Partei, die wesentlich dafür verantwortlich ist, dass die Verbilligungen nicht so hoch sind wie von den Gewerkschaften gewünscht.
Allerdings lässt das den Mitte-Fraktionschef, Philipp Bregy, ziemlich kalt. «Die Mitte ist dafür verantwortlich, dass es überhaupt eine Lösung gibt bezüglich der Krankenkassenprämien. Aber es gibt Grenzen bei der Verbilligung, zumal es sich hier klarerweise um eine kantonale Vorgabe handelt.»
Bregys Antwort zeigt: Der Druck der Gewerkschaften ist nachvollziehbar. Es tut sich auch etwas. Die tieferen Reallöhne und die geringere Kaufkraft sind allerdings ein Thema, bei welchem ganz unterschiedliche Akteure eine Rolle spielen. Um hier vorwärtszumachen, erhöhen die Gewerkschaften nun den Druck.