Angesichts der jüngsten Bankenkrise stellt sich die Frage, ob es sie überhaupt noch braucht – die Banken. Könnten nicht virtuelle Währungen wie Bitcoin sie ersetzen? Einer, der das glaubt, ist Ijoma Mangold. Er ist Literaturkritiker und Feuilletonist bei der Zeitung «Die Zeit».
SRF News: Warum sind Sie so angetan von der zahlenbasierten Technologie, die dem Bitcoin zugrunde liegt?
Ijoma Mangold: Mir ist mehr oder weniger zufällig klar geworden, dass der Bitcoin digitale Knappheit ermöglicht – und Geld muss grundsätzlich knapp sein. Ich dachte dann viel über Geld nach – was ist gutes, hartes Geld? Was wäre eine bessere Alternative zu den gebräuchlichen Währungen? Dieses Nachdenken hat mich nicht mehr losgelassen.
Können Sie diese Knappheit beim Geld noch etwas näher erläutern?
Das normale Geld wie Dollar oder Euro kann ja aus dem Nichts erschaffen werden – darum bezeichnen es die Bitcoin-Anhänger als «Fiat»-Geld, von «Fiat Lux» («Es werde Licht») aus der Bibel. Für Bitcoins dagegen muss man Energie und Zeit aufwenden, um sie zu schürfen. Ausserdem ist die maximale Menge, die jemals geschürft werden kann, auf 21 Millionen Coins beschränkt.
Beim Bitcoin hat man eine in der Software verbürgte Verlässlichkeit.
Man hat also eine in der Software verbürgte Verlässlichkeit – im Gegensatz zu den «Fiat»-Währungen, die politischen Interventionen unterliegen. Dank Bitcoin hat man also einen von der Politik geschützten, verlässlichen Geldspeicher. Ich halte das für eine sehr attraktive Option für die Geldpolitik.
Der Wert des Bitcoins unterliegt starken Schwankungen. Wieso soll man ihm mehr vertrauen als dem herkömmlichen Bankensystem?
Das stimmt. Eine so junge Anlageform wie der Bitcoin, der erst 2009 ins Leben gerufen wurde, muss ihren natürlichen Wert erst finden, deshalb die Schwankungen. Gold etwa blickt auf 5000 Jahre Menschheitsgeschichte zurück, deshalb ist es viel weniger volatil.
Der Bitcoin muss seinen natürlichen Wert erst noch finden.
Dass der Bitcoin seinen Wert noch sucht und deshalb Schwankungen unterworfen ist, bietet auch Chancen für Gewinne. Allerdings gibt es keine Chance ohne Risiko.
Hängt der Kurs des Bitcoins also davon ab, wie viele Menschen an ihn glauben?
Genau. Und weil der Bitcoin so klar reglementiert ist, muss der Preis bei erhöhter Nachfrage nach oben ausschlagen. Die Nachfrage und damit der Kurs kann allerdings auch zurückgehen, wenn niemand mehr an ihn glaubt.
Der Bitcoin ist ein Angebot an die Welt, die Geldpolitik neu zu regeln.
Der Bitcoin ist bloss ein Angebot an die Welt, die Geldpolitik neu zu regeln. Nimmt die Welt das Angebot an, wird der Bitcoin reüssieren, sonst nicht.
Wenn also niemand mehr an den Bitcoin glaubt, wird das Bitcoin-System zusammenstürzen?
Der Bitcoin ist eine Wette auf die Zukunft: Wenn niemand mehr an ihn glaubt, verliert er seinen Wert. Und das ist auch gut so. In unserer Welt gibt es keine absolute Sicherheit, das ist auch beim Bitcoin so. Als Liberaler finde ich das sehr schön und bin nicht zuletzt deshalb vom Bitcoin derart fasziniert. Niemand kennt die Zukunft – und leben bedeutet, mit dieser Ungewissheit umzugehen. Immerhin: Wir können versuchen, kluge Prognosen zu machen oder Wetten auf die Zukunft abzuschliessen.
Das Gespräch führte Simone Hulliger.