Normalerweise müssen Pharmakonzerne grob geschätzt eine bis 2.5 Milliarden US-Dollar investieren, um ein neues Medikament zu entwickeln. Normalerweise. Bei Alzheimer ist das anders. Lorenzo Biasio, Pharmaanalyst bei der Credit Suisse, rechnet vor: «Laut einer Schätzung aus dem Jahr 2021 wurden zwischen 1995 und 2021 42.5 Milliarden US-Dollar für die private Alzheimerforschung aufgewendet.»
Allein die Pharmabranche also hat in den letzten knapp 30 Jahren bereits 42 Milliarden US-Dollar in die Suche nach einem Mittel gegen Alzheimer investiert. Der grosse Durchbruch lässt noch immer auf sich warten.
Zwar ist mit Aduhelm in den USA inzwischen ein Medikament zugelassen, das den Krankheitsverlauf bremsen soll. Doch wie stark es effektiv wirkt, ist höchst umstritten; entsprechend darf Aduhelm auch erst eingeschränkt verabreicht werden.
Immer wieder führen teure Forschungsprojekte in eine Sackgasse: so am Montag bei Roche. Der Basler Pharmakonzern hatte mit dem Medikament Gantenerumab zwei aufwendige klinische Studien mit Alzheimer-Patientinnen und -Patienten durchgeführt.
Gantenerumab konnte aber den geistigen Zerfall der Erkrankten nicht verlangsamen. Eine herbe Enttäuschung für alle Alzheimer-Erkrankten, aber auch für Roche.
Das Problem: Die Forschenden verstehen noch immer nicht ganz, wie Alzheimer genau funktioniert. «Die Frage ist schon mal zu Beginn weg: Was ist der richtige Ansatzpunkt? Wie muss eine mögliche Therapie aussehen?», sagt Pharmaanalyst Biasio.
Lorenzo Biasio weist noch auf ein zweites Problem hin: «Wir haben es mit einer Krankheit zu tun, die sich über sehr lange Zeit entwickelt. Das könnte, wie sich jetzt immer mehr zeigt, bedingen, dass man Patienten sehr früh therapiert, also bevor die ersten schweren Symptome auftreten.»
Es lockt ein Milliardengeschäft
Trotz milliardenteuren Rückschlägen lässt die Pharmabranche nicht locker, denn es lockt ein Milliardengeschäft. Weltweit sind aktuell etwa 30 Millionen Menschen an Alzheimer erkrankt; Tendenz weiter steigend. Ein Medikament, das den Krankheitsverlauf bremst oder gar stoppt, wäre hoch willkommen, und würde auch stattlich vergütet.
Lorenzo Biasio schätzt das Marktpotenzial für ein Alzheimer-Medikament allein in den USA auf rund 20 Milliarden US-Dollar. Und das Umsatzpotenzial des soeben gescheiterten Roche-Medikaments hätte er weltweit auf maximal 10 Milliarden US-Dollar pro Jahr beziffert. Das sind selbst im Pharmageschäft gigantische Zahlen.
Forschung geht weiter
Das erfolgversprechendste Projekt hat jetzt der US-Konzern Biogen, zusammen mit der japanischen Eisai: Sie konnten in klinischen Tests den Krankheitsverlauf bei Alzheimer-Erkrankten verlangsamen. Derweil betont Roche, man wolle weiterforschen – an Medikamenten und an Diagnostiktests, um die Krankheit früh erkennen zu können.