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Kranke Spitäler Wie hält man ein Spital finanziell gesund?

Spitäler in der Schweiz werden zunehmend zu Patienten. Weil sie rote Zahlen schreiben. Dass es anders geht, zeigen die Spitäler im Thurgau. Allerdings: Auch sie haben kein Patentrezept dafür, wie man ein Spital finanziell gesund hält. Ausserdem: Das Spitalsterben ist ein Stück weit gewollt.

Sieben von zehn Spitälern in der Schweiz drehen im Roten – und es dürfte noch schlimmer kommen. So lautete letzten Sommer das Fazit einer Studie des Beratungsunternehmens KPMG. Nachrichten von Spitälern, die vor dem Aus stehen oder vom Kanton mit Hunderten Millionen Franken gerettet wurden, häuften sich denn auch in den vergangenen Monaten.

Schweizer Spitäler in finanzieller Schieflage

Dass es anders geht, zeigen die Spitäler im Thurgau. Die Thurgauer Spitalgruppe hat eben ihren 25. Geburtstag gefeiert und gehört zu den wenigen, die finanziell gesund dastehen. Das hat mit Können zu tun, aber auch mit Glück.

Luftaufnahme eines grossen Bürogebäudes und umliegender Landschaft.
Legende: Viele Schweizer Spitäler sind in den roten Zahlen. Eine Ausnahme bilden die kantonalen Einrichtungen im Thurgau, wie das Kantonsspital Frauenfeld. KS Frauenfeld

Die Thurgauer Spitalgruppe ist Teil einer AG, die dem Kanton gehört: ein Mischkonzern für Gesundheits­dienstleistungen. Die breite Aufstellung umfasst ambulante Angebote für Psychiatrie und Rehabilitation, Apotheken, eine Venen- und eine Fruchtbarkeitsklinik und diverse Radiologieinstitute. Damit lässt sich Geld verdienen. Geld, das für die beiden Spitäler Frauenfeld und Münsterlingen gut zu gebrauchen ist.

Unternehmerische Freiheit

Bei der Gründung vor 25 Jahren hat der Kanton dieser Gesundheits AG viele unternehmerische Freiheiten gelassen. Das sei ein kluger Entscheid gewesen, sagt der Gesundheitsökonom Tilman Slembeck.

Und man halte sich an die Aufgabenteilung: Der Kanton hält sich aus dem Operativen raus – und die AG trägt die unternehmerischen Risiken. Derzeit etwa bringen die dezentralen Radiologieinstitute Geld ein, ab kommendem Jahr dürfte sich das wegen tieferer Tarife ändern. Die Thurgauer Gesundheits AG wird diese Einnahmen kompensieren müssen. Wegen der breiten Aufstellung sei man zuversichtlich, heisst es vom CEO der AG, Rolf Zehnder. So viel zum Können.

Ebitda – Mass für finanzielle Gesundheit

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Damit ein Spital überleben kann, braucht es Reserven, beziehungsweise, es muss Gewinn machen: Von 100 Franken, die es einnimmt, müssen nach Abzug von Löhnen und Sachausgaben mindestens zehn Franken übrigbleiben. Das Mass dafür ist die Ebitda-Marge (Gewinn vor Zinsen, Steuern und Abschreibungen), sie sollte zehn Prozent betragen. Das erreichen die wenigsten Spitäler. Gemäss KPMG-Studie betrug der durchschnittliche Wert für das Jahr 2023 gerade mal 1.8 Prozent. Die Verluste von Schweizer Spitälern, Reha-Kliniken und Psychiatrien beliefen sich demnach auf eine Milliarde Franken.

Der Thurgau habe aber auch Glück, so Ökonom Slembeck: Der Kanton habe keine Berge und Täler und man sei schnell in Zürich, Winterthur oder St. Gallen. «Der Thurgau muss nicht alles selbst anbieten», so Slembecks Fazit, «aufwändige Behandlungen können sie sozusagen einkaufen».

Spitalsterben ist gewollt

Das Beispiel zeigt, ein Modell ist nicht telquel auf andere Regionen übertragbar. Hinzu kommt: Dass unrentable Spitäler zunehmend geschlossen werden, ist gewollt. Im Jahr 2012 wurde die Finanzierung der Spitäler neu organisiert – mittels Fallpauschalen.

Seither müssen die Spitäler damit nicht nur den Betrieb finanzieren, sondern auch Investitionen. Mehr Wettbewerb sollte sie effizienter machen – und unrentable Institutionen sollten verschwinden. So die Theorie.

Die Praxis ist komplizierter. Spitalschliessungen tun weh. Und die Frage, wie viele Spitäler die Schweiz braucht, ist umstritten. «Auf jeden Fall weniger», betont Gesundheitsökonom Slembeck.

Planung und Organisation sollten zudem regional funktionieren, fünf bis sechs Versorgungsregionen würden ausreichen. Mit einzelnen Spitälern, aber vor allem mit dezentralen Ambulatorien. Einzugsgebiet jeweils für eine bis anderthalb Millionen Menschen.

Viele Ambulatorien, wenige Spitäler – überkantonal organisiert. Dort sind wir noch lange nicht. Aber es werde zwangsläufig in diese Richtung gehen, so Gesundheitsökonom Slembeck. «Nur schon wegen der Kosten und des Fachkräftemangels.»

Trend, 10.1.1.2025, 18 Uhr

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