Der Verband Angestellte Schweiz bietet den Unternehmen die Wahl, ob sie ihren Mitarbeitenden mehr Lohn oder mehr freie Zeit anbieten wollen. «Für das Jahr 2025 fordern wir bis zu 2.2 Prozent mehr Lohn oder eine Arbeitszeitverkürzung bei gleichem Lohn», sagt Manuela Donati von Angestellte Schweiz.
Dem Verband sei es wichtig, auf die Situation der einzelnen Unternehmen einzugehen. Wenn sich ein Unternehmen in einer schwierigen wirtschaftlichen Lage befinde, könne es auch über eine Arbeitszeitverkürzung indirekt den Lohn erhöhen.
Die Mitarbeitenden haben dann mehr freie Zeit, die sie einsetzen können, wofür sie möchten.
Das schaffe eine Win-win-Situation: «Die Arbeitgebenden können so Wertschätzung gegenüber ihren Mitarbeitenden zeigen. Die Mitarbeitenden haben dann mehr freie Zeit, die sie einsetzen können, wofür sie möchten.»
Arbeitgeberverband ist kritisch
Dass damit einfach der Zeitdruck auf die Angestellten steige, verneint Donati. «Nicht unbedingt», sagt sie, denn die Arbeit sei zum Beispiel mit dem Einsatz von künstlicher Intelligenz produktiver geworden. Damit falle auch Arbeit weg.
Es wäre Sand in die Augen gestreut, wenn man davon ausgeht, die Unternehmen könnten auf breiter Ebene Arbeitszeiten reduzieren
Dem widerspricht Roland Müller vom Schweizerischen Arbeitgeberverband. Schon heute fehlten die Arbeitskräfte: «Gerade in einer Zeit des Arbeitskräftemangels benötigt man die Arbeitszeit und die Menschen. Da wäre es Sand in die Augen gestreut, wenn man davon ausgeht, die Unternehmen könnten auf breiter Ebene Arbeitszeiten reduzieren.» Für einzelne Unternehmen sei das vielleicht möglich, aber sicher nicht in der Breite.
Donati von Angestellte Schweiz kontert: «In Zeiten von Fachkräftemangel ist es wichtig für Unternehmen, dass sie für Arbeitnehmende interessant bleiben, indem sie zeitgemäss sind. Gerade für jüngere Arbeitnehmende ist es wichtig, dass die Arbeit sinnhaft ist und dass sie zeitlich flexibel arbeiten können. Die Arbeitszeitverkürzung bei gleichbleibendem Lohn ist da interessant, weil es für Arbeitnehmende wichtig ist, dass sie eine gute Work-Life-Balance haben.»
Leute mit mittleren oder tiefen Einkommen müssen höhere Kosten tragen können. Dafür braucht es höhere Löhne.
Kritik an den Forderungen von Angestellte Schweiz kommt auch von anderer Seite. Die Gewerkschaften unterstützen zwar grundsätzlich die Forderungen nach weniger Arbeitszeit, sagt Thomas Bauer vom Dachverband Travail Suisse. «Gleichzeitig ist die Erhöhung der Löhne sehr wichtig, da wir stark steigende Lebenshaltungskosten und höhere Krankenkassenprämien hatten. Leute mit mittleren oder tiefen Einkommen müssen diese Kosten tragen können. Dafür braucht es höhere Löhne.»
Mehr Freizeit helfe nicht
Die Leute bräuchten mehr Geld. Leuten mit tiefen und mittleren Einkommen sei mit mehr Freizeit nicht geholfen. Manuela Donati widerspricht nicht im Grundsatz, Angestellte Schweiz fordere ebenfalls mehr Lohn, einfach in zwei Varianten. Gerade Junge würden sich Teilzeitarbeit wünschen, auch jene, die wenig verdienten.
Ob jung oder alt, verantwortlich für eine Familie, zu zweit oder allein – die Bedürfnisse verschiedener Gruppen von Arbeitnehmenden sind unterschiedlich. Die Diskussion um mehr Freizeit oder mehr Lohn zeigt das exemplarisch.