- AT1-Anleihengläubiger der Credit Suisse klagen in den USA gegen die Schweiz.
- Die Schweiz habe bei der Übernahme der CS durch die UBS mit der Abschreibung der Anleihen gegen internationales Recht verstossen, argumentieren die Kläger.
- Nun prüft ein US-Gericht in New York, ob die Schweiz überhaupt angeklagt werden kann.
Beim Zusammenbruch der CS verfügte die Eidgenössische Finanzmarktaufsicht Finma, dass die CS ihre AT1-Anleihen abschreibt. Die Anleihen im Wert von rund 17 Milliarden US-Dollar wurden damit auf einen Schlag wertlos. Für eine Gruppe von acht Gläubigern fordert die US-Anwaltskanzlei Quinn Emanuel von der Schweiz jetzt eine Entschädigung von rund 86 Millionen US-Dollar.
Aus Sicht der Kläger gab es im März 2023 keine Voraussetzung für die Abschreibung der Anleihen. Das dazu nötige Trigger-Ereignis wäre nur bei einem potenziellen Kapital- oder Eigenkapitaldefizit der CS gegeben gewesen. Die Anleihen seien aber aufgrund eines Liquiditätsengpasses und einer Vertrauenskrise abgeschrieben worden. «Wir glauben, dass das illegal und unangemessen war. Das führte dazu, dass unsere Mandanten den Wert ihrer Investitionen verloren haben», sagt Anwalt Dennis Hranitzky von Quinn Emanuel.
Kläger wollen Immunität der Schweiz aufheben
Für Peter V. Kunz, Professor für Wirtschaftsrecht an der Universität Bern, ist die Klage gegen die Schweiz aussergewöhnlich. «Das gab es meines Wissens noch nie, dass der Schweiz nicht nur Klagen angedroht wurden, sondern dass es tatsächlich eine Klage bei einem Gericht gibt.»
Grundsätzlich können Staaten nicht vor ein Gericht in einem anderen Land gezogen werden – sie geniessen völkerrechtlich die sogenannte Staatenimmunität. In den USA kann diese Immunität aber gemäss dem Gesetz «Foreign Sovereign Immunities Act» (FSIA) unter Umständen aufgehoben werden.
Der FSIA sieht eine Ausnahme bei der Staatenimmunität unter anderem dann vor, wenn Staaten «kommerzielle resp. geschäftliche Tätigkeiten» ausüben. Genau das habe der Bundesrat getan, finden die Kläger. «Die Schweiz handelte als private Investmentbank und nicht als Regulierungsbehörde», sagt Anwalt Hranitzky.
Heikle Aussage der Finanzministerin
Wirtschaftsrechtler Kunz sieht die Möglichkeit, dass die Schweizer Staatenimmunität wegen einer Aussage von Bundesrätin Karin Keller-Sutter tatsächlich von einem US-Gericht infrage gestellt werden könnte. Konkret sagte die Finanzministerin an der Medienkonferenz zur Übernahme der CS durch die UBS am 19. März 2023: «Es ist keine staatliche Rettung, es ist eine rein kommerzielle Lösung.»
Das sei ein Fehler gewesen, findet Kunz. «Das öffnet die Tore, dass der Kläger sagen kann, die Schweiz hat nicht als Staat, sondern sozusagen als private Bank die UBS beraten und unterstützt bei der Übernahme.»
Verurteilung birgt finanzielles Risiko
Der Wirtschaftsrechtler schätzt die Erfolgschancen der Klage als gering ein. «Die Kläger müssen hohe Hürden überwinden.»
Falls es aber zu einer Verurteilung käme, wäre das ein «finanzieller GAU für die Schweiz». Denn durch ein Urteil gegen die Schweiz könnten noch Dutzende weitere Anleihegläubiger vor Gericht ziehen und ebenfalls Entschädigung fordern. «Dann würden wir nicht mehr von 86 Millionen, sondern mehreren Milliarden reden», so Kunz.
Es dürfte schwierig werden, das New Yorker Gericht davon zu überzeugen, dass die Schweiz in diesem Fall keine Staatenimmunität geniesst. Das sagt auch Anwalt Hranitzky. Er gibt sich aber optimistisch.