Ein Eisenbahntunnel unter dem Meeresgrund zwischen England und Frankreich. Heute ist es eine praktische Alternative zum Flugzeug. Vor 30 Jahren war es eine Sensation. Vom «grössten Bauwerk des Jahrhunderts» sprach die Tagesschau.
«Auch im übertragenen Sinn war die Eröffnung des Eurotunnels für den Tunnelbau ein absoluter Durchbruch», erinnert sich Tunnelkenner Felix Amberg. Man habe realisiert: «Nichts ist unmöglich.»
Untertag, aber auch «Unterwasser», konnten sich die Tunnelbranche seither immer wieder übertrumpfen, wie diese fünf faszinierenden Unterwassertunnel zeigen.
Das längste Brücken-Tunnel-System der Welt
Mitten im Meer zwischen Hongkong und Festlandchina gibt es seit 2018 einen Unterwassertunnel. Auch wenn dieser «nur» 6.7 Kilometer lang ist, sei die Verbindung derzeit das wohl spektakulärste Infrastrukturprojekt mit Tunnel unter dem Meer, so Felix Amberg. «Es ist grösser als alles, was man vorher gemacht hat.»
Der Tunnel ist nämlich nur ein Teilstück eines insgesamt 55 Kilometer langen Brücken-Insel-Tunnel-Systems. Und: Er beginnt mitten im Meer.
Wie ist das möglich? «Salopp gesagt, schüttet man ganz viel Kies und Sand auf, bis sich eine künstliche Insel bildet», erklärt Amberg. «Von dieser Insel aus kann man dann mitten im Meer im Trockenen bis in den Meeresboden graben und einen Tunnel zur nächsten Insel bauen.»
Der längste Absenktunnel der Welt
Im Meer zwischen Dänemark und der deutschen Insel Fehmarn wird zurzeit am 18 Kilometer langen Fehmarnbelttunnel gebaut. Doch ist Tunnel überhaupt die korrekte Bezeichnung dafür? Die Röhren werden nämlich weder gebohrt noch gegraben.
Mit dem klassischen Tunnelbau hat das nichts zu tun.
An Land werden gigantische Betonklötze vorproduziert. Diese werden dann mit Schiffen aufs Meer geschleppt. Dort werden sie auf den geglätteten Meeresboden abgesenkt und miteinander verbunden. So entsteht die Röhre.
«Mit dem klassischen Tunnelbau hat das nichts zu tun», so Tunnelbauer Felix Amberg, «aber das Ergebnis, ja, ist ein Tunnel.» Er selbst sei vertraut mit dem Bohren von Löchern. Hier aber senke man Kisten ab.
Dass diese Technologie bei einem solch gigantischen Tunnel angewandt wird, löse bei ihm einen grossen Respekt aus. «Das ist Ingenieurskunst! Als Tunnelbauer muss ich ‹Chapeau› sagen.»
Nach seiner Fertigstellung wird der Fehmarnbelttunnel der längste und tiefste kombinierte Strassen- und Eisenbahntunnel der Welt sein.
Doppelter Tunnel-Weltrekord unter dem Fjord
Wer in Norwegen entlang der Küste reisen möchte, der braucht Zeit, viel Zeit. Der Grund? Sieben Fjorde müssen mit einer Fähre überquert werden. Aber nicht mehr lange. Norwegen ist daran, die Westküste mit einem gigantischen Projekt besser zu erschliessen – der «fährenfreien E39». Unter den Fjorden gräbt man Tunnel.
Die grosse Herausforderung? Die Fjorde sind extrem tief. «Man muss extrem lange Rampen graben, um überhaupt auf den Meeresgrund zu gelangen», weiss Felix Amberg. Darum sei es auch naheliegend, dass man sich Alternativen überlegt habe. Es gab Pläne, in den Fjorden sogenannte «schwebende» Tunnel zu realisieren. Diese wären an Bojen im Wasser verankert worden.
«Bislang ist aber noch nie ein schwebender Tunnel gebaut worden», so Amberg. Es sei immer bei der Idee geblieben. Und so wird jetzt auch in Norwegen klassisch gegraben.
Mit einer Länge von 26.7 Kilometern wird der Rogfast-Tunnel unter dem Boknafjord in Norwegen der längste Strassentunnel der Welt werden. Und mit einer Tiefe von über 390 Metern unter dem Meeresspiegel auch der tiefste. 2033 soll es so weit sein.
Der erste Unterwasser-Kreisel der Welt
Der Eysturoyartunnel unter den Färöer-Inseln ist wohl der Tunnel mit dem grössten «Wow-Effekt». Da er gleich mehrere Inseln verbindet, befindet sich 189 Meter unter dem Meeresspiegel nicht nur eine Röhre, sondern auch ein Kreisel.
Dieser gilt als Touristenattraktion. Ein Künstler hat den Kreisel gestaltet. Er wird mit verschiedenen Farben beleuchtet. Durch das Tunnelradio hört man dazu sphärische Klänge.
Rein technisch gesehen sei ein Kreisel unter Wasser zwar nichts Besonderes, so Tunnel-Ingenieur Amberg. Für die Benutzer sei es aber definitiv ein Fahrerlebnis der speziellen Art.
Farbeffekte im Tunnel halten die Automobilisten wach.
In Skandinavien ist der Einsatz von farbigen Lichteffekten in Tunneln weit verbreitet. In der Schweiz seien wir da etwas gar nüchtern, was die Beleuchtung anbelange, findet Amberg. «Wir kennen nur graue Betonwände. Dabei machen die Effekte die Fahrt durch Tunnel angenehmer und halten die Automobilistinnen wach.»
Ein Tunnel für Kreuzfahrtschiffe
Es gibt Strassentunnel, es gibt Eisenbahntunnel, es gibt Velotunnel. Aber Tunnel für Schiffe? Doch, die gibt es auch. Zum Beispiel in Frankreich. Dort kann man mit Hausbooten durch Kanaltunnel tuckern. Aber was Norwegen derzeit plant, ist eine ganz andere Dimension.
«Das wird tunneltechnisch ein absoluter Höhepunkt», schwärmt Tunnelexperte Felix Amberg. In Westnorwegen ist ein Schiffstunnel geplant; durch die Halbinsel Stad. Es ist einer der Küstenabschnitte, die am exponiertesten dem Wetter ausgesetzt sind. Ausgelegt wäre der Tunnel für die grössten Schiffe der berühmten Hurtigruten, aber auch für Frachtschiffe. Diese könnten so schlechtem Seegang ausweichen.
50 Meter hoch soll er sein, 36 Meter breit und 1.7 Kilometer lang. Klingt und sieht futuristisch aus. «Es ist noch Zukunftsmusik, ja», so Felix Amberg, «aber es ist nicht bloss eine Vision oder eine fantastische Idee.» Das norwegische Parlament hat dem Bau bereits zugestimmt.
Im Konjunktiv spreche man nur, weil der Tunnel noch nicht im Bau sei. Der Baustart verzögert sich unter anderem, weil vor Gericht Rekurse von Anwohnern hängig sind. Diese wären von einer Enteignung betroffen. Auch über die definitiven Kosten wird noch diskutiert. «Der Tunnel soll in absehbarer Zeit Realität werden», ist Tunnelexperte Felix Amberg überzeugt.