Es war eine denkwürdige Lehrstunde, die Tadej Pogacar seinen Verfolgern am Freitag auf dem Weg nach Isola 2000 erteilt hatte. Wie von Furien gehetzt jagte der Tour-Leader auf der 19. Etappe den Schlussaufstieg hoch und liess die Konkurrenz regelrecht stehen. Es war die endgültige Vorentscheidung im Kampf um den Gesamtsieg bei der «Grande Boucle».
Dass Pogacar beim prestigeträchtigsten Radrennen der Welt einen überlegenen Sieg einfahren würde, kommt nicht ganz überraschend. Der derzeit wohl beste Radprofi des Planeten lieferte bislang eine Sahne-Saison ab.
So siegte er bei der Katalonien-Rundfahrt im März mit einem Vorsprung von 3:41 Minuten – dem grössten Zeitabstand seit 1983. Auch bei den Triumphen an den Strade Bianche (+2:44 Minuten) und beim Monument Lüttich-Bastogne-Lüttich (+1:39) liess Pogacar keine Zweifel aufkommen.
Giro di Pogacar
Beim Giro d'Italia, dem ersten ganz grossen Gradmesser der Saison, liess der 25-Jährige eine Machtdemonstration auf die nächste folgen. Nach 15 Etappen hatte er 6:41 Minuten Vorsprung auf den ersten Verfolger Geraint Thomas und damit das grösste Giro-Polster zu diesem Zeitpunkt seit 1954. Damals hatte übrigens der Zürcher Carlo Clerici die wohl grösste Sensation in der Geschichte der Italien-Rundfahrt geschafft.
Bis zum Giro-Ende stockte Pogacar seinen Vorsprung auf 9:56 Minuten auf – und baute erfolgreich die Rampe zum prestigeträchtigsten Double im Radsport mit dem Giro und der Tour. Er ist der erste Fahrer seit Marco Pantani 1998, dem dies gelingt.
Vingegaard über 6 Minuten abgenommen
Auch beim somit historischen 3. Triumph an der Tour de France trat der Slowene überwiegend überlegen auf. So kleidete er sich früh in Gelb (2. Etappe), hielt mit Platz 2 auch im ersten Zeitfahren mit (7.) und liess vor dem Finale vor allem bei den Bergankünften der 14. und 15. Etappe die Muskeln spielen. Der eingangs erwähnte «Bergauf-Sprint» war dann das Sahnehäubchen. 6:17 Minuten Vorsprung im Gesamtklassement auf Jonas Vingegaard, der notabene in den letzten beiden Jahren dominiert hatte, sprechen Bände.
Mit nun 3 Siegen bei der Landesrundfahrt in Frankreich liegen in der ewigen Rangliste nur noch Eddy Merckx, Bernard Hinault, Jacques Anquetil, Miguel Indurain (alle 5) und Chris Froome (4) vor Pogacar.