Audi, Tesla, Mercedes, Maserati – was für manche nur wie eine Liste von teuren Autos klingt, ist für andere eine Aufzählung von gefährlichen Ecstasy-Pillen. Vor ihnen wird momentan gewarnt, weil sie zu viel von dem Wirkstoff MDMA enthalten. Es kann zu Nebenwirkungen wie Kiefermahlen, Augen- und Muskelzucken oder Krampfanfällen kommen. Zudem steigt die Körpertemperatur stark an und es können Halluzinationen auftreten.
Viele Techno-Begeisterte denken, dass Ecstasy eine harmlose Partydroge ist. «Dies ist aber nicht immer so», sagt Joël Bellmont vom Drogeninformationszentrum (DIZ) in Zürich. Zum einen sei oft nicht klar, wie viel MDMA in einer Pille sei und welche weiteren Inhaltsstoffe noch darin steckten. Zum anderen bringe die psychoaktive Substanz besonders bei heissem Wetter und verstärkter körperlicher Bewegung den Flüssigkeitshaushalt durcheinander.
Der Grund für ein erhöhtes gesundheitliches Risiko: Drogen wie Ecstasy lassen den Körper aufheizen, weil sie unter anderem das System des Neurotransmitters Serotonin beeinflussen. Knallt dann noch die Sonne erbarmungslos auf die Partygänger eines Techno-Events, kann dies lebensbedrohliche Zustände verursachen.
Gefährlicher Hitzschlag
Dröhnende Bässe, schräge Outfits und gute Laune – derzeit gibt es überall Musikfestivals oder auch Open-Air-Raves, bei denen stundenlang getanzt wird. Doch viele Leute sind dabei nicht nüchtern. Mit Analysen des Abwassers wiesen Forschende der Universität Lausanne vor ein paar Jahren erstmals nach, dass zu solchen Anlässen auch hierzulande illegale Drogen wie MDMA, Kokain oder Amphetamine in grösseren Mengen konsumiert werden.
Dazu untersuchten sie zweimal eine einwöchige Veranstaltung mit täglich an die 50'000 Besucherinnen und Besucher. Gemäss dem damals veröffentlichten Bericht im Journal «Forensic Science International» war vor allem der Konsum an MDMA überraschend hoch.
An der diese Woche in Zürich beginnenden Street Parade werden die treibenden Beats und die pulsierende Energie der elektronischen Klänge erneut unzählige Techno-Fans zu einem grossen Kollektiv des ausgelassenen Feierns vereinen und die Stadt in einen gigantischen Dancefloor verwandeln. Herrschen draussen zusätzlich jedoch noch extreme Temperaturen, nehmen gleichzeitig auch die toxischen Effekte der eingenommenen Substanzen zu. Diese Gefahr unterschätzen viele, sagen Fachleute.
So weisen Studien darauf hin, dass insbesondere auch die Kombination von Ecstasy und Alkohol das Risiko für einen Hitzschlag erhöht. Denn durch eine zu hohe Körpertemperatur kann sich beispielsweise das Muskeleiweiss auflösen, was ein Nierenversagen bis hin zum Multiorganversagen nach sich ziehen kann. Deshalb sollten beispielsweise MDMA-Konsumentinnen und -Konsumenten pro Stunde mindestens drei Deziliter Wasser trinken und auf Alkohol verzichten.
Betrunken im Notfall
Denn auch das unverhältnismässige Trinken von Bier, Prosecco oder hochprozentigem Alkohol ist bei Hitze sehr gefährlich. Durch die hohen Temperaturen und durch die Wirkung des Alkohols erweitern sich die Blutgefässe besonders.
Die Folge: Der Körper gibt mehr Wärme durch Schwitzen nach aussen ab und der Blutdruck sinkt. «Bei Betrunkenen bricht unter solchen Umständen der Kreislauf schneller zusammen und sie werden bewusstlos», erklärt Ksenija Slankamenac, Direktorin ad interim des Instituts für Notfallmedizin am Universitätsspital Zürich (USZ).
«Uns werden die komplizierten oder schweren Fälle zugewiesen, die eine hohe medizinische Betreuung brauchen», sagt Ksenija Slankamenac vom USZ zur Street Parade. Es seien vor allem diejenigen mit Ecstasy und weniger welche, die aufgrund einer Intoxikation durch Alkohol ihren Rausch ausschlafen müssten.
Mehr Kokaintote bei Hitze
«Gefährlich ist auch, wenn jemand Kokain bei grosser Hitze nimmt, weil man durch die Kombination zum Beispiel eher einen Herzinfarkt erleidet», fügt Ksenija Slankamenac hinzu. Deshalb würden sie bei Partygängern mit Schmerzen im Thoraxbereich sofort ein EKG zur Kontrolle machen, um rasch weitere Abklärungen und die Behandlung einzuleiten.
Eine kanadische Studie kam zu dem Schluss, dass es mehr Todesfälle in Zusammenhang mit Kokain bei heissem Wetter gab. Kletterten die Temperaturen in einer Woche auf über 30 Grad Celsius, so nahm das Sterberisiko im Vergleich zu einer etwas kühleren Woche mit 20 Grad Celsius um das Doppelte zu.
Kokain steigert beispielsweise die Konzentration der Botenstoffe Serotonin, Dopamin und Noradrenalin im Gehirn und sorgt so für den «Kick». Die Droge wirkt auf das zentrale sowie auf das vegetative Nervensystem und kann deshalb vielfältige Effekte bei den verschiedenen Organen hervorrufen, etwa auch dem Herzen. Generell verengt es die Blutgefässe, beschleunigt die Atmung und erhöht gleichzeitig noch die Körpertemperatur.
Von der Street Parade ins Spital
Auf der Zürcher Street Parade werden auch dieses Jahr erneut rund eine Million Besucher und Besucherinnen erwartet. Während der weltweit grössten Techno-Veranstaltung behandelt das Team der Notfallstation vom USZ anstatt wie an einem üblichen Tag mit bis zu 120 Patienten und Patientinnen noch einmal 60 bis 90 mehr.
Sie haben Schnittwunden durch Scherben, Verletzungen infolge tätlicher Auseinandersetzungen, einen drogenbedingten Kreislaufkollaps, Hirnschlag oder Herzinfarkt. Weil sie oder auch ihre Begleitpersonen sich unter dem Einfluss der Drogen meist selbst nicht mehr spüren, ist der Lärmpegel im Warteraum zeitweise sehr hoch. Zudem riecht es zwischendurch nicht nur nach Blut, sondern gelegentlich auch nach Urin oder Erbrochenem.
Viele Substanzen wie die Halluzinogene LSD, Psilocybin und 2C-B oder auch Ecstasy, Kokain sowie Amphetamin wirken auf das Serotonin-System, das unter anderem die Körpertemperatur reguliert. «Hohe Dosen oder Mischungen dieser Substanzen können daher dazu führen, dass die Körpertemperatur entgleist», betont der Pharmakopsychologe Boris Quednow von der Psychiatrischen Universitätsklinik Zürich (PUK). Es entstehe ein künstliches Fieber, das den Organen extrem zusetze.
Zu heisser Kopf
Durch das bekannte Amphetaminderivat Ecstasy kann zum Beispiel die Körpertemperatur so stark ansteigen, dass es auch für das Hirn problematisch wird und langfristig Gedächtnisprobleme auftreten können. Das MDMA-Präparat belastet zudem das Herz, weil sich durch die bunten Partypillen die Blutgefässe verengen und dadurch der Blutdruck steigt.
Wenn durch die steigende Hitze unter dem Schädel auch noch ein Wassermangel aufgrund von zu wenig oder falscher Flüssigkeitszufuhr hinzukommt, kann eine lebensbedrohliche Hirnschwellung auftreten. Dabei kann der Hirnstamm gefährlich gequetscht werden, der für den Erhalt wichtiger Körperfunktionen zuständig ist.
Deshalb sei es unerlässlich, so der Experte Boris Quednow, Wasser mit einem ausreichenden Mineralgehalt zu trinken. Dies können isotonische Sportgetränke oder auch eine normale Apfelschorle sein. Problematisch ist auch, dass unter dem Einfluss der Partydrogen unter anderem wichtige Warnsignale des Körpers wie Erschöpfung oder Durst nicht mehr richtig wahrgenommen werden.
«Zudem ist es ratsam», sagt der Zürcher Pharmakopsychologe, «beim Tanzen Pausen zu machen, sich immer wieder im Schatten aufzuhalten, in der prallen Sonne möglichst eine Kopfbedeckung zu tragen und den Kopf mit Wasser an einem Brunnen oder aus der Flasche immer wieder zu kühlen». Nicht zu empfehlen sind Wollmützen oder Perücken, weil diese die Hirntemperaturen in dieser Situation nochmals unnötig ansteigen lassen.
Auch wenn Drogenkonsumierende grundsätzlich regelmässig Wasser trinken sollten, darf man dies auch nicht völlig übertreiben. Denn beim Schwitzen verliert der Körper Salze wie Natriumchlorid, das in gelöster Form als Elektrolyt bezeichnet wird. Normales Hahnenwasser kann den Mangel dann nicht mehr ausgleichen.
Seltene Wasservergiftung
Wird somit sehr viel Wasser getrunken, sinkt die Konzentration an Elektrolyten im Körper. Im Extremfall droht dann eine Wasservergiftung, auch Hyponatriämie genannt. «Hier muss schnell reagiert werden», sagt Boris Quednow. Es gäbe immer wieder solche Fälle bei Ecstasy-Konsumierenden, die sofort therapiert werden müssen, um die Gefahr einer Hirnschwellung abzuwenden.
«Unter Drogen sind einige Personen auch bei der Ankunft in der Notaufnahme weiterhin enthemmt oder aggressiv», erklärt Patrik Honegger, Leiter Pflege Notfall vom USZ. Sie hätten zum Beispiel das Gefühl, dass sie auf dem WC sitzen würden, obwohl sie noch im Wartezimmer seien, oder müssten sich plötzlich übergeben.
In bedrohlichen Situationen oder wenn jemand gewalttätig sei, käme das interne Sicherheitspersonal und bei Bedarf zusätzlich die Polizei dazu, sagt Patrik Honegger. Häufig sei es den Patientinnen und Patienten im Nachhinein sehr unangenehm, wenn sie erfahren würden, was alles passiert sei und sie entschuldigten sich.