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Wenn der Schweiss fliesst
Aus Ratgeber vom 12.08.2024. Bild: Keystone / Urs Flueeler
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Diagnose dank Schweiss Was Ihr Schweiss über Ihre Gesundheit verraten kann

Dank neuer Sensoren kann Schweiss präzise ausgewertet werden. Könnten die Analysen in Zukunft dazu beitragen, Krankheiten vorzubeugen und gar Leben zu retten?

Schwitzen gehört zum Leben. Das wird einem im Sommer ganz besonders bewusst. Nun erhält die Körperflüssigkeit immer mehr Aufmerksamkeit von der Medizintechnik.

Der Mediziner Noé Brasier etwa – Early-career Fellow am Collegium Helveticum und Forscher am Institut für Translationale Medizin der ETH Zürich - interessiert sich insbesondere für Schweissanalysen: «Die heutigen hoch entwickelten und tragbaren Sensoren können ganz neue Informationen generieren.» So kann Schweiss auf einzelne Bestandteile genau analysiert werden.

Wie funktionieren Schweissmessungen?

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Im Gegensatz zur Blutabnahme kann Schweiss nicht-invasiv gewonnen werden. Beispielsweise kann ein Pflaster mit integrierten Sensoren auf der Haut angebracht werden, das den natürlich produzierten Schweiss sammelt.

Eine andere Methode besteht darin, die Schweissdrüsen mithilfe von Elektroden und einem auf die Haut aufgetragenem Medikament künstlich zu stimulieren.

«Schweiss besteht aus weit mehr als Natriumchlorid», weiss Brasier. Es sind Biomarker wie Proteine, Hormone oder auch Metaboliten wie Glukose oder Laktat, die die Flüssigkeit für Forschende wie ihn so spannend machen. Sie können Aufschluss über die Gesundheit eines Patienten geben. «Hier steckt enormes Potenzial, um Krankheiten frühzeitig zu erkennen oder Therapien besser individuell abzustimmen.»

Schweiss ist nicht gleich Schweiss

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Wenn es heiss ist, wir gestresst sind oder einen Berg hochradeln, beginnen wir zu schwitzen. Dafür sind unsere Schweissdrüsen verantwortlich, von denen etwa drei Millionen auf unserem Körper verteilt sind.

Es gibt jedoch unterschiedliche Drüsentypen, was zu einer unterschiedlichen Zusammensetzung der Schweisstropfen führt. Die beiden wichtigsten Art von Schweissdrüsen sind:

  • Wässriger Schweiss an Handflächen und Fusssohlen: Die ekkrinen Schweissdrüsen produzieren am meisten Schweiss, der hauptsächlich aus einer wässrigen Salzlösung mit Natriumchlorid besteht. Diese Schweissart hilft, Wärme aus dem Körper abzuleiten und die Körpertemperatur zu regulieren. Auch Gefühle können diese Schweissdrüsen aktivieren.
  • Körpergeruch verbreiten: Die apokrinen Drüsen werden erst in der Pubertät aktiv und produzieren einen zähflüssigen, fettreichen Schweiss, der unter anderem Proteine, Zucker und Ammoniak enthält. Sie befinden sich vor allem in den Achselhöhlen und der Genitalregion. Schweissgeruch entsteht erst, wenn der Schweiss an der Hautoberfläche von Bakterien zersetzt wird.

Die Anzahl und Verteilung der Schweissdrüsen variieren in Bezug auf die Lokalisierung auf der Körperoberfläche und deren Funktion nach Alter und Hitzeakklimatisierung stark. Und wer viele Schweissdrüsen hat, schwitzt nicht automatisch auch viel.

Wie viel und was wir heraus schwitzen, hängt von etlichen Faktoren ab. Es spielt eine Rolle, was wir essen und trinken, ob wir uns körperlich betätigen oder welche Emotionen wir erleben. «Die vielen Einflussfaktoren machen es herausfordernd, die Informationen im Schweiss zu interpretieren», so der ETH-Forscher. Das heisst: Im Schweiss können Informationen aus Molekülen gewonnen werden, doch was die genau über den Körper und seinen Zustand verraten, wird erst untersucht. Und die Forschung steckt noch in Kinderschuhen.

Zudem ist der Kontext, in dem ein Biomarker im Schweiss gemessen wird, entscheidend. Brasier gibt ein einfaches Beispiel: «Allein aus dem Kortisolgehalt im Schweiss kann ich keine fundierten Rückschlüsse auf das allgemeine Stresslevel und die Gesundheit ziehen.»

Wenn aber zusätzliche Parameter wie Herzfrequenz, Körperkerntemperatur oder Umgebungstemperatur gemessen würden, könnte er einen Wert besser einordnen. Die Schweissanalysen seien erst in Kombination mit anderen klinischen Messwerten hilfreich, um den Gesundheitszustand eines Menschen im entsprechenden Kontext zu verstehen.

«Künstliche Intelligenz wird dabei eine tragende Rolle spielen.» Denn biochemische Sensoren könnten in Zukunft nicht nur Schweiss auswerten, sondern gleichzeitig weitere Parameter erfassen. Daraus entstehen komplexe Datensätze. Mithilfe von KI können die klinischen Messwerte dann miteinander in Beziehung gesetzt werden.

Mögliche Anwendungen der Schweissanalysen

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Es gibt eine breite Palette von möglichen Anwendungen der Schweissanalysen, die derzeit erforscht oder zumindest theoretisch konzipiert werden.

Sensoren können im Schweiss Glukose messen, was eine neue Überwachungsmöglichkeit des Zuckergehalts für Diabetikerinnen und Diabetiker sein könnte. «Jedoch ist Glukose im Schweiss einige Minuten später zu messen, als sie bereits im Blut ist. Dies hat wichtige Implikationen, wenn man Patienten behandelt», räumt der Forscher Noé Brasier ein.

Eine andere Möglichkeit wäre, Medikamente dank kontinuierlichen Schweiss-Messungen genauer auf den Patienten abzustimmen. «Jede Person verstoffwechselt Medikamente anders, in den Dosierungen wird das nur grob berücksichtigt», sagt Brasier.

Ein Beispiel ist die Verabreichung von Antibiotika. Wird Antibiotika geschluckt, zirkuliert es im Blut und gelangt durch Gewebe zur Infektion – wenn die Infektion nicht im Blut selbst ist. «Es gibt keine Messmethode, um den Antibiotika-Spiegel im infizierten Gewebe zu messen», erklärt Brasier.

Würde aber der Spiegel im Blut und im Schweiss gemessen werden, hätte man gute Anhaltspunkte, welche Mengen tatsächlich im Gewebe, zwischen Blut und Schweiss, angekommen sind.

Aber: «Das alles ist Zukunftsmusik, wir sind allerdings auf gutem Weg», fasst Brasier zusammen. Es wird bereits ein Schweiss-Test angewendet, um die Stoffwechselerkrankung namens zystische Fibrose (CF) festzustellen.

Aktuell gilt die Blutanalyse als Goldstandard in der medizinischen Diagnostik und der körperlichen Überwachung im Falle von Erkrankungen. «Blut abzunehmen ist meist nur im Spital oder in der Arztpraxis möglich. Es ist aufwendig, invasiv und teuer», so Brasier. Schweissmessungen hingegen könnten im Alltag des Patienten stattfinden.

Ein weiterer Vorteil sieht der Arzt darin, dass Sensoren nicht nur punktuell einen einzelnen Wert messen, sondern über einen längeren Zeitraum Schweissdaten sammeln können. So kann beispielsweise ein Krankheitsverlauf beobachtet und verstanden werden.

Etliche Start-ups sind bereits auf den Schweiss-Trend aufgesprungen. Nun kommen erste Wearables auf den Markt. Doch das sind Lifestyle-Produkte, die Messungen sind ungenau. «Bis diese zur klinisch validierten Anwendung kommen, kann es noch mehrere Jahre dauern», sagt Brasier. Dafür ist noch viel Grundlagenforschung erforderlich, die Zeit und Geld benötigt.

Radio SRF 1, Ratgeber, 12.8.2024, 11:08 Uhr

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