Schwitzen gehört zum Leben. Das wird einem im Sommer ganz besonders bewusst. Nun erhält die Körperflüssigkeit immer mehr Aufmerksamkeit von der Medizintechnik.
Der Mediziner Noé Brasier etwa – Early-career Fellow am Collegium Helveticum und Forscher am Institut für Translationale Medizin der ETH Zürich - interessiert sich insbesondere für Schweissanalysen: «Die heutigen hoch entwickelten und tragbaren Sensoren können ganz neue Informationen generieren.» So kann Schweiss auf einzelne Bestandteile genau analysiert werden.
«Schweiss besteht aus weit mehr als Natriumchlorid», weiss Brasier. Es sind Biomarker wie Proteine, Hormone oder auch Metaboliten wie Glukose oder Laktat, die die Flüssigkeit für Forschende wie ihn so spannend machen. Sie können Aufschluss über die Gesundheit eines Patienten geben. «Hier steckt enormes Potenzial, um Krankheiten frühzeitig zu erkennen oder Therapien besser individuell abzustimmen.»
Wie viel und was wir heraus schwitzen, hängt von etlichen Faktoren ab. Es spielt eine Rolle, was wir essen und trinken, ob wir uns körperlich betätigen oder welche Emotionen wir erleben. «Die vielen Einflussfaktoren machen es herausfordernd, die Informationen im Schweiss zu interpretieren», so der ETH-Forscher. Das heisst: Im Schweiss können Informationen aus Molekülen gewonnen werden, doch was die genau über den Körper und seinen Zustand verraten, wird erst untersucht. Und die Forschung steckt noch in Kinderschuhen.
Zudem ist der Kontext, in dem ein Biomarker im Schweiss gemessen wird, entscheidend. Brasier gibt ein einfaches Beispiel: «Allein aus dem Kortisolgehalt im Schweiss kann ich keine fundierten Rückschlüsse auf das allgemeine Stresslevel und die Gesundheit ziehen.»
Wenn aber zusätzliche Parameter wie Herzfrequenz, Körperkerntemperatur oder Umgebungstemperatur gemessen würden, könnte er einen Wert besser einordnen. Die Schweissanalysen seien erst in Kombination mit anderen klinischen Messwerten hilfreich, um den Gesundheitszustand eines Menschen im entsprechenden Kontext zu verstehen.
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Bild 1 von 3. Unsere natürliche Klimaanlage: Auch wenn Schweissflecken und feuchte Hände unangenehm sind, hilft uns das Schwitzen, überschüssige Wärme loszuwerden. Bildquelle: KEYSTONE/EPA EFE/SALAS.
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Bild 2 von 3. Wer beim Sport kräftig ins Schwitzen gerät, kann dies als Zeichen seiner guten Fitness werten. Denn fitte Menschen schwitzen schneller als Bewegungsmuffel. Bildquelle: IMAGO/Xinhua.
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Bild 3 von 3. Nonverbale Kommunikation: Auch Stress, Angst oder Scham können uns ins Schwitzen bringen – und dabei Signale an unsere Mitmenschen senden. Bildquelle: IMAGO/Pond5 Images.
«Künstliche Intelligenz wird dabei eine tragende Rolle spielen.» Denn biochemische Sensoren könnten in Zukunft nicht nur Schweiss auswerten, sondern gleichzeitig weitere Parameter erfassen. Daraus entstehen komplexe Datensätze. Mithilfe von KI können die klinischen Messwerte dann miteinander in Beziehung gesetzt werden.
Aktuell gilt die Blutanalyse als Goldstandard in der medizinischen Diagnostik und der körperlichen Überwachung im Falle von Erkrankungen. «Blut abzunehmen ist meist nur im Spital oder in der Arztpraxis möglich. Es ist aufwendig, invasiv und teuer», so Brasier. Schweissmessungen hingegen könnten im Alltag des Patienten stattfinden.
Ein weiterer Vorteil sieht der Arzt darin, dass Sensoren nicht nur punktuell einen einzelnen Wert messen, sondern über einen längeren Zeitraum Schweissdaten sammeln können. So kann beispielsweise ein Krankheitsverlauf beobachtet und verstanden werden.
Etliche Start-ups sind bereits auf den Schweiss-Trend aufgesprungen. Nun kommen erste Wearables auf den Markt. Doch das sind Lifestyle-Produkte, die Messungen sind ungenau. «Bis diese zur klinisch validierten Anwendung kommen, kann es noch mehrere Jahre dauern», sagt Brasier. Dafür ist noch viel Grundlagenforschung erforderlich, die Zeit und Geld benötigt.