Eigentlich war das Ganze ironisch gemeint. Die Ironie galt dem Gowanus-Kanal, der angesagtesten Kloake Amerikas, und nahm die Gestalt eines Pop-up-Ladens an.
Während drei Monaten bot das New Yorker Souvenir-Geschäft Artikel wie das T-Shirt des «Gowanus Swim Team» mit dekorativem Totenkopf an. Sehr passend, denn Schwimmen im Gowanus-Kanal garantiert ein rasches Ableben.
Giftmüll, Abwasser, Mafia-Leichen
Vor über 150 Jahren fingen die Fabriken im Süden Brooklyns an, so ziemlich alles in diesen Meeresarm zu kippen, was sie an Giftmüll an Lager hatten. Die Bevölkerung steuerte Abwasser bei – und die örtliche Mafia etliche Leichen.
Ausgerechnet dieser toxische Tümpel hat sich in den letzten Jahren in eine Touristenattraktion verwandelt. Das liegt vermutlich an unseren widersprüchlichen Zeiten.
Spielwiese für stinkreiche Millennials
Aus dem Schwimmclub mit Totenkopf-Shirt ist ein Bestseller geworden und aus dem Pop-up-Laden der unterdessen eineinhalbjährige Gowanus Souvenir Shop.
Ute Zimmermann hat den Shop gegründet. Die gebürtige Deutsche wohnt seit sechs Jahren in Gowanus und hat die Entwicklung des Viertels von einer verwahrlosten Industriezone zur jüngsten Spielwiese für begüterte Millennials verfolgt.
«Als ich hierherzog, gab’s noch keine Luxuswohnungen. Jetzt hat man Parkprobleme, und es wimmelt von schicken Bars und Restaurants», erzählt sie. Etwa dem Barbecue-Tempel «Pig Beach» (zu deutsch Schweinestrand) unmittelbar am Ufer des Kanals und keine 200 Meter vom Laden entfernt.
Souvenirgeschäft und Kunstprojekt
«Wir wollten von Anfang an mit lokalen Künstlern und Kunsthandwerkern zusammenarbeiten», sagt Ute Zimmermann. Sie und ihr Geschäftspartner Joel Beck fanden jede Menge origineller Macher, die gerne bereit waren, sie mit exklusiven Souvenirs zu beliefern.
Zum Beispiel mit Handtüchern oder Postern, auf denen das Cocktailmenü des imaginären «Gowanus Diner» abgedruckt ist. Das Menü bietet «Parasite Punch» und «Arsenic Ale» an. Es gibt auch eine schleimgrüne Gesichtsmaske, die die Haut buchstäblich neu erstrahlen lässt. Oder Giftmüll-Bonbons und Geschirr aller Art – verziert mit Flora, Fauna und Fundgegenständen aus der Umgebung.
Kloake als internationaler Treffpunkt
Die Kunden stammen aus der ganzen Welt. Erst neulich sei eine Gruppe japanischer Studenten da gewesen, erinnert sich Ute Zimmermann. Die waren besonders vom Gowanus-Monster-Cartoon angetan.
Europa, Australien, Lateinamerika: Den Leuten gefällt die Mischung aus preiswerten Mitbringseln und Unikaten. Zur Auswahl steht auch Kunst: Von Gowanus-Landschaftsbildern bis zu Fotografien, auf denen die Oberfläche des Kanals dank eines speziellen Druckverfahrens wie ein Spiegel des Universums wirkt.
Sargholz duftet besser
Auch ehemalige Brooklyner schauen gerne vorbei. «Die können nicht fassen, wie sehr sich die Gegend verändert hat», erzählt Ute Zimmermann. Wie die Dame, die sich als Enkelin eines Sargfabrikanten herausgestellt habe.
«Sie erzählte davon, wie furchtbar es jeweils nach Unwettern stank und wie gut dagegen das frische Holz der Särge roch, in denen sie sich manchmal versteckte.» Die Sargwerkstatt ist ein paar Blocks vom Gowanus Souvenir Shop entfernt und floriert noch heute, aller Gentrifizierung zum Trotz.
Immer noch gleich giftig
Es stinkt noch immer gewaltig nach Unwettern. Und das, obwohl sich seit 2009 das US-Umweltdepartement höchstselbst um die Säuberung des Kanals kümmert. Theoretisch.
Praktisch schwimmen im Gowanus noch genauso viele Chemikalien und mutierte Wesen wie eh und je. Für den Gowanus Souvenir Shop ist das nur von Vorteil.
Sollte das Badeverbot an New Yorks Hipster-Riviera irgendwann doch aufgehoben werden, ist die entsprechende Gewandung für das Schwimmteam ja bereits Teil des Sortiments.