Bonnie Walters wundert sich ein wenig. «Heute ist wieder einer dieser Tage. Die Touristen kommen, sie sind interessiert, aber sie kaufen nicht. Sie schauen nur».
Vielleicht hat es mit dem Wetter zu tun, meint sie, es ist ungewöhnlich warm für San Francisco, morgen ist gar ein Hitzetag angesagt, und deswegen wird sie den Verkaufsstand gar nicht erst aufstellen.
Aber vielleicht ist es auch der Trump-Effekt. «Wir alle spüren, dass weniger ausländische Touristen in die USA kommen als letztes Jahr». Bonnie Walters will aber nicht weiter über Politik reden. Ihre wegwerfende Handbewegung sagt, was sie von der neuen Regierung hält.
Aufgemöbelter Abfall
Viel lieber spricht sie über ihre Souvenir-Artikel. Sie bietet Schmuck aus «Sea Glass» an; rote, grüne, weisse, blaue und braune Glasscherben, die sie an versteckten Stränden der Bucht von San Francisco gesammelt hat.
Die Scherben stammen von weggeworfenen Flaschen, Gläsern, auch aus Schiffswracks und alten Abfallhalden, die ins Wasser gespült und von Wind und Wasser zu natürlichen Juwelen verschliffen wurden.
Feine Fundstücke
Begonnen hat es vor zwölf Jahren, als sie von Seattle nach Kalifornien übersiedelte, jeden Morgen am Wasser wanderte und die farbigen Glasstücke nach Hause brachte. «Mein Mann staunte. Er wollte wissen, was ich damit tun wollte: ‹Nicht das Haus vollstopfen, bitte!› Da musste ich eine gute Verwendung finden».
Sie begann, die Fundstücke in Gold und Silber zu fassen und Halsketten, Ohrringe und Anhänger zu fertigen. Zunächst verkaufte sie den Schmuck nur in Boutiquen.
Alles ausser Kitsch
Letztes Jahr entschied sie, mehr Kunden zu finden. Sie bewarb sich um eine Verkaufslizenz beim historischen Ferry Building in San Francisco und hat den Entscheid nicht bereut.
Die Lage sei hervorragend, mitten im Touristenstrom von der Innenstadt an die Meeresbucht. Doch Kitsch ist nicht willkommen, sagt sie. Dafür sorgt die Kunstkommission der Stadt.
Sie vergibt die Souvenirstände nur an lokale Handwerker, die mit Material aus der Region arbeiten. Wer mit Importware erwischt wird, zahlt eine Busse und verliert die Verkaufslizenz.
Walters arbeitete bis zu ihrer Pensionierung als Personalchefin im Concierge-Geschäft. Sie habe den Umgang mit Gästen aus Übersee immer sehr geschätzt, und das könne sie nun in idealer Art mit ihrem künstlerischen Interesse verbinden.
«Es bewahrt mich vor Abwegen»
Ihr Arbeitstag beginnt früh. Spätestens um 06:30 Uhr will sie in der Stadt sein. Dann werden die Standplätze versteigert. Wer früh kommt, kriegt die besten Plätze.
An Wochentagen sind nur ein bis zwei Dutzend Verkaufsstände in Betrieb. Doch am Wochenende in der Hochsaison drängen sich weit über 100 Souvenirverkäufer rund um das Ferry Building.
«Es ist schön, in meinem Alter der eigene Boss zu sein. Es bewahrt mich vor Abwegen», sagt sie lachend.
Das Geschäft läuft
Weil der Glasschmuck lokalen Charakter hat und erschwinglich ist, zudem leicht im Reisegepäck verstaut werden kann, läuft das Geschäft gut. Pro Tag setzt sie Schmuck für mehrere 100 Dollar ab. «Manchmal sind es auch mehr als 1000 Dollar».
Sie würde sich freuen, wenn sich die Touristen nicht mehr vom politischen Klima von einer US-Reise abhalten lassen. Für sie hat sie ein besonderes Angebot bereit, «total ernst gemeint».
Wenn jemand in der Lage sei, den französischen Präsidenten oder die deutsche Kanzlerin in die USA zu bringen und dafür Präsident Trump mitzunehmen, «so bekommt er meinen besten Schmuck. Gratis».