Spanien und Italien investieren kaum 1.5 Prozent des Bruttoinlandprodukts (BIP) in ihre Verteidigung. Sie verfehlen das verbindliche Nato-Ziel deutlich. Andere Allianzmitglieder wie Deutschland, Frankreich oder Grossbritannien bewegen sich bei den geforderten zwei Prozent. Etliche osteuropäische Länder, allen voran Polen mit gut vier Prozent, liegen gar deutlich darüber. Sie gelten als Musterschüler.
Nato-Generalsekretär Mark Rutte möchte auf dem Gipfeltreffen im Juni neu mindestens drei Prozent des BIP festschreiben lassen. US-Präsident Donald Trump fordert gar völlig unrealistische fünf Prozent. Das ist weitaus mehr als die USA selber mit ihren 3.4 Prozent erreichen. Schon bei einer Nato-weiten Erhöhung um einen Prozentpunkt flössen europaweit 230 Milliarden Dollar zusätzlich in die Verteidigung. Jahr für Jahr.
Sicherheit wird teurer für die Europäer
Mehr Geld bringt mehr Schlagkraft, zweifellos – jedoch weder automatisch noch linear. Die Europäer werden nie mehr so billig so viel Sicherheit bekommen wie in den Jahren nach dem Mauerfall. Damals war die Welt eine andere, eine friedlichere. Die sogenannte Friedensdividende fällt also weg. Normal werden dürften wieder Militärausgaben auf dem Niveau des Kalten Krieges.
Auf zwei Schlüsselfragen, um den sinnvollen Umfang der Wehretats zu ermitteln, fehlen indes die Antworten. Erstens: Kann sich Europa auch künftig auf die unverbrüchliche Unterstützung der USA verlassen? Das ist heute so ungewiss wie nie zuvor seit dem Ende des Zweiten Weltkrieges. Zweitens: Ist bald wieder ein friedliches oder gar partnerschaftliches Verhältnis zu Russland denkbar? Die Chancen stehen schlecht.
Die Unterschiede zwischen den Ländern sind riesig
Dazu kommt: Prozentzahlen zu den Rüstungsausgaben trügen. So dient etwa im Fall der USA nur ein Teil des Militärpotenzials der Verteidigung Europas. Frankreich muss auch seine Überseegebiete im Indischen Ozean, im Pazifik, in der Karibik schützen – das erhöht die europäische Sicherheit nicht.
Bei manchen Ländern wiederum fliesst viel Geld in Renten für frühere Berufssoldaten – das trägt nichts bei zur Schlagkraft. Vielerorts kennen die Soldaten primär ihren heimischen Kasernenhof, andere Armeen verfügen über viele mit Erfahrung in internationalen Operationen. Die Unterschiede sind gewaltig.
Engere Zusammenarbeit wäre nötig
Es bringt wenig, ganz rasch hunderte von zusätzlichen Milliarden in die Aufrüstung zu stecken. Rüstungsprojekte dauern Jahre, grosse Vorhaben sogar Jahrzehnte. Von heute auf morgen lassen sich nirgends zehntausende von Soldaten rekrutieren und trainieren. In Demokratien ist dies langwierig, Diktaturen wie Russland sind da schneller.
Ausserdem: Bevor enorme Summen ausgegeben werden, würde es sich für Europa lohnen, enger zusammenzuarbeiten. Die Forderung ist alt. Passiert ist zu wenig.
Fraglos ist: Sicherheit zu bewahren, wird aufwändiger. Doch mit einer Zahlenschlacht lässt sich Europas Verteidigungsfähigkeit nicht herstellen.