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Besuch in Lüttich/Belgien Made in China und gefälscht: ein Augenschein beim belgischen Zoll

Die Zollbeamten am Flughafen der belgischen Stadt haben alle Hände voll zu tun. Die europäischen Verbraucherinnen und Verbraucher sorgen dafür, dass ihnen die Arbeit nicht ausgeht.

2024 war ein Rekordjahr für den Flughafen der belgischen Stadt Lüttich: Eine Milliarde Zollanmeldungen wurden abgegeben. Nur ein Bruchteil der Fracht wird auch kontrolliert. Dennoch werden die Zollbeamten immer wieder fündig. So wurden in den ersten neun Monaten dieses Jahres etwa 55 Tonnen gefälschte Lederwaren zerschreddert – so viel wie im gesamten vergangenen Jahr.

Was für Lüttich gilt, gilt für die gesamte Europäische Union. Noch nie wurden so viele Fälschungen abgefangen wie in diesem Jahr. Es waren sogar noch mehr als im bisherigen Rekordjahr 2023. Damals waren es gemäss dem EU-Amt für geistiges Eigentum bereits plus 77 Prozent im Vergleich zum Vorjahr. Warenwert rund 3.5 Milliarden Euro.

Fälschungen aller Art

Die Kontrollarbeit vor Ort ist intensiv und aufwändig. Eine spezielle Software sucht in den elektronischen Zollformularen nach verdächtigen Mustern. Anschliessend werden die Waren von Hand kontrolliert.

Die Fälscher verfolgen genau, was in Shops bestellt wird.
Autor: Isabelle Kelder Oberste Zöllnerin Lüttich

EU-weit stammen 60 Prozent der gefälschten Produkte aus China. Am Flughafen Lüttich sind es sogar über 90 Prozent. Am häufigsten finden sich darunter Computerspiele aller Art, Spielzeuge und Musik und Filme auf CDs.

In der Rangliste der am häufigsten gefälschten Warenkategorien folgen gefälschte Verpackungen, Markenlogos, Aufkleber und neuerdings auch Druckvorlagen. Das deutet auf einen neuen Trend hin: So werden aus legal importierten namenlosen Billigwaren kurz vor dem Verkauf teure Markenprodukte. Eine der Möglichkeiten, Zollkontrollen auszutricksen.

Auch Zertifizierungszeichen werden gefälscht

Die Dunkelziffer an gefälschten Produkten, die in Europa in den Verkauf gelangen, dürfte hoch sein. Der Onlinehandel treibe die Zahl der Fälschungen nach oben, heisst es vom Zoll. Immer mehr Private kauften online in meist chinesischen Onlineshops ein, erklärt die oberste Zöllnerin in Lüttich, Isabelle Kelder.

«Die Fälscher verfolgen genau, was in regulären Shops bestellt wird, und passen sich dementsprechend rasch an.» Geliefert würden die Fälschungen fast ausschliesslich per Luftfracht. Der Faktor Zeit sei da entscheidend, erklärt Kelder. Auch von gefälschten Produkten erwarten die Kunden offenbar kurze Lieferfristen.

Die Verantwortlichen müssen genau hinschauen. Beim Besuch von SRF vor Ort kontrollieren sie eine Kiste mit Elektrogeräten, genauer ein Mini-Karaoke-Set. Alles scheint in Ordnung. Es fehlt keines der erforderlichen Gütesiegel auf der Verpackung, auch keine Warnhinweise. Dann aber erkennt der scharfe Blick des Kenners auf dem Lautsprecher das gefälschte Zertifizierungszeichen: Der Bogen des CE im CE-Zeichen ist zu rund.

Der Teufel steckt bekanntlich im Detail, was sich insbesondere bei der Zollkontrolle von gefälschten Produkten für den europäischen Markt zeigt.

Rendez-Vous, 02.12.2024, 12:30 Uhr

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