Nach der Tötung eines Militärkommandeurs der Hisbollah-Miliz im Libanon sowie eines Anführers der verbündeten Hamas im Iran ist die Gefahr eines grossen Kriegs im Nahen Osten stark gestiegen. Der Iran, die Hisbollah und die islamistische Hamas haben Vergeltung gegen Israel angekündigt.
Für die Menschen in Libanon ist der Krieg bereits allgegenwärtig. Israelische Kampfjets fliegen regelmässig über die Hauptstadt Beirut und durchbrechen die Schallmauer, wie Nahost-Korrespondent Thomas Gutersohn berichtet. «Das gibt einen lauten Knall, was die Bevölkerung immer wieder in Angst versetzt – weil nicht klar ist, ob ein Haus getroffen wurde oder nicht. Da wird durchaus auch eine Art psychologischer Krieg geführt», so Gutersohn.
Aufgrund der drohenden Eskalation bereiten sich die Spitäler in Libanon derzeit auf einen Ernstfall vor. Nach Angaben des libanesischen Gesundheitsministeriums haben die Spitäler im wirtschaftlich gebeutelten Land zwar einen Vorrat für rund vier Monate.
Sollten im Falle einer Eskalation aber auch die Häfen oder Flughäfen des Landes zum Ziel werden und ausser Betrieb geraten, würden die Vorräte des grössten öffentlichen Spitals, der Rafik-Hariri-Klinik, für maximal zehn Tage reichen, sagte Direktor Dschihad Saadeh der DPA. Sollten viele Patientinnen und Patienten aufs Mal kommen, könnten die Vorräte schon nach wenigen Tagen zur Neige gehen.
Die Libanesinnen und Libanesen wissen, dass der Staat im Moment nicht in der Lage ist, sie zu schützen.
Diese Vorbereitung der Spitäler nähmen wohl viele Libanesinnen und Libanesen mit einem Achselzucken hin, sagt Gutersohn. «Sie wissen, dass der libanesische Staat im Moment nicht in der Lage ist, sie zu schützen oder zu pflegen. Das hat man gesehen bei der Explosion im Hafen von Beirut vor vier Jahren. Da waren die Spitäler auch komplett überfordert.» Die Leute zählten eher auf sich und auf ihr privates Umfeld. «Wer kann, versucht irgendwo im Norden oder in den Bergen die Situation abzuwarten.»
Nervosität und Wut in Amman
Auch bei den Menschen in Jordanien ist derzeit Nervosität spürbar. «Die Menschen sind angespannt», berichtet Thomas Gutersohn aus der jordanischen Hauptstadt Amman. Man erinnere sich an den 14. April, als Iran über die Köpfe der Jordanier und Jordanierinnen hinweg über 300 Drohnen und Raketen in Richtung Israel schoss. Damals gab es nur Sachschäden, weil Iran den Angriff weit im Voraus angekündigt hatte.
«Doch die Leute hier fragen sich natürlich jetzt schon, ob es wieder so ablaufen wird oder ob es vielleicht keine Ankündigung geben wird und man sich nicht auf einen Angriff vorbereiten kann», erzählt der Korrespondent. Panik herrsche hingegen nicht.
«Das Leben in Amman nimmt seinen gewohnten Gang. Es werden Hochzeiten gefeiert und gestern wurden die Resultate der Aufnahmeprüfungen in den Universitäten bekannt. Da sah man junge Leute auf den Strassen feiern», so Gutersohn.
Viele Menschen im Land treibe jedoch die Wut um. Die Wut darüber, dass der Krieg in Gaza schon neun Monate andauert und über 40'000 Menschenleben gefordert hat, ohne dass sich eine Lösung des Konflikts abzeichnet.