Es brechen neue Zeiten in der europäischen Asylpolitik an. Das wurde am EU-Gipfel in Brüssel klar, obwohl kein einziger Entscheid zu diesem Thema gefällt wurde. Die Geschwindigkeit, mit der sich die politische Debatte über die Asylpolitik in der EU verschärft, ist bemerkenswert.
Gut festmachen lässt sich das an der Diskussion um das italienische Asylzentrum in Albanien. Ein EU-Staat betreibt ein Asylzentrum ausserhalb der EU – noch vor wenigen Jahren wäre ein solches Projekt von der grossen Mehrheit der EU-Staaten klar abgelehnt worden. Juristische und ethische Bedenken hätten überwogen.
Heute spricht die Mehrheit der EU-Staaten von einer «innovativen Lösung». Und auch EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen will, dass die EU vom italienisch-albanischen Projekt lernt.
Abschreckung: das Motto der Stunde
Das kleine Asylzentrum in Albanien soll zur Blaupause für grössere Zentren in anderen Staaten ausserhalb der EU werden. Noch sind diese Staaten jedoch nicht gefunden. Doch in der politischen Debatte ist das zweitrangig. Das Motto der Stunde in der europäischen Asylpolitik heisst Abschreckung.
Zur Erreichung dieses Ziels ist die Mehrheit der EU-Staaten und die EU-Kommission bereit, mit langjährigen Tabus zu brechen. Das ist auch die Folge von migrationskritischen Parteien, die in Europa gerade von Wahlerfolg zu Wahlerfolg eilen. Nationale Wahlen haben immer auch Konsequenzen auf EU-Ebene.
EU ist in der Asylpolitik nicht autonom
Doch Ankündigungen sind insbesondere in der Asylpolitik schnell gemacht. Praktikable und effektive Lösungen zu finden, ist dagegen deutlich schwerer. Denn ein altbekanntes Problem für die EU bleibt: Sie kann ihre Asylpolitik nur umsetzen, wenn sie zuverlässige Partnerstaaten ausserhalb der EU hat. Ganz gleich, ob es um aussereuropäische Asylzentren oder um Rückführungsabkommen mit den Herkunfts- oder Transitstaaten von Asylsuchenden geht.
Daran hat es in der Vergangenheit immer wieder gehapert, darum sind Lösungen in der Asylpolitik so schwierig zu finden. Ob sich das in Zukunft ändert, ist völlig offen. Klar ist aber eines: Die EU ist in der Asyl- und Migrationspolitik nicht autonom, sie wird auf aussereuropäische Partner angewiesen bleiben. Daran kann auch die schärfste politische Rhetorik nichts ändern.