Wieso lehnt der israelische Premierminister Benjamin Netanjahu eine Waffenruhe für den Gazastreifen ab? Laut SRF-Auslandredaktorin Susanne Brunner gibt es dafür zwei Gründe. Erstens wolle die Hamas eine dauerhafte Waffenruhe, also ein Ende des Krieges in Gaza. Premier Netanjahu hingegen wolle ein Ende der Hamas – und kein Ende des Krieges, bis es die Hamas nicht mehr gibt. Zweitens stelle die Hamas Maximalforderungen: Für die Freilassung der rund 120 bis 130 israelischen Geiseln fordere die Hamas, dass Israel rund zehnmal mehr palästinensische Gefangene freilasse, also Hunderte von Gefangenen, darunter auch Terroristen, welche am Massaker vom 7. Oktober beteiligt waren.
Welche Interessen verfolgt Netanjahu? «Er will vor allem eins: an der Macht bleiben», sagt Brunner. Denn trotz des Krieges steht er wegen Korruptionsvorwürfen vor Gericht. «Seine Regierungskoalition hängt von ultra-rechten und religiösen Kleinparteien ab.» Diese Parteien würden ihm versprechen, dass er an der Macht bleibt und bei einer Verurteilung wegen Korruption nicht ins Gefängnis muss. Dafür verlangten sie aber, dass Netanjahu ihre Forderungen erfüllt.
Was fordern die Kleinparteien in der israelischen Regierung? Sie wollen nach dem Krieg jüdische Siedlungen im Gazastreifen. Sie behaupten, nur mit totaler israelischer Kontrolle in Gaza sei Israel sicher vor weiteren Angriffen wie jenem vom 7. Oktober.
Wird die Hamas ihrerseits ihre Forderungen anpassen? Die Hamas habe bereits angetönt, dass sie ihre Maximalforderung nach Ende des Krieges für eine Waffenruhe aufgeben könnte, so Brunner. «Das zeigt: Der Hamas geht es nicht ums Leiden und Sterben der Bevölkerung in Gaza, sondern nur um sich selbst», so Susanne Brunner. Denn die Bevölkerung in Gaza brauche dringend ein Ende der heftigen Bombardierungen und viel mehr humanitäre Hilfe, als unter der Blockade durchkommt. «Die israelischen Geiseln sind das einzige Druckmittel der Hamas». Israel gehe aber davon aus, dass nur 100 von ihnen oder weniger am Leben sind.
Was ist die Haltung der USA? Die USA wollten Israel bedingungslos unterstützen, sagt Susanne Brunner, aber Netanjahu würde ihnen das sehr schwer machen. «Vor allem die Extremisten in seiner Regierung beleidigen und provozieren die USA sogar, obwohl Israel militärisch von den USA abhängig ist.» Je länger Präsident Biden Netanjahu machen lasse, desto schwächer wirkten die USA. Es gebe inzwischen kaum eine Regierung in der Region und im Westen, die nicht frustriert sei wegen Israels Premier. Arabische Staaten und die USA befürchteten einen Flächenbrand in der Region, so Susanne Brunner.