Sie zählen zu den ärmsten Ländern Afrikas. Jahrelang wüteten Bürgerkriege in den westafrikanischen Küstenländern Sierra Leone, Guinea und Liberia. Erst seit ein paar Jahren geht es wieder aufwärts, sagt Afrika-Experte Robert Kappel vom Hamburger Giga-Institut. «Man war vor allem in Liberia grösster Hoffnung, dass das Land in den nächsten Jahren einen Durchbruch erzielen könnte.»
Allein in diesem Jahr könnte die Wirtschaftsleistung in den drei am stärksten betroffenen Ländern um insgesamt 360 Millionen Dollar einbrechen, schätzt die Weltbank – das könnte Liberia und Guinea die Hälfte ihres Wirtschaftswachstums kosten. Und das ist noch das bestmögliche Szenario.
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Geld fehlt im Gesundheitswesen
Das eine Problem sei das Virus selbst, sagt Weltbank-Experte John Panzer. Das viel grössere aber die Angst vor der Ausbreitung der Seuche. Aus Angst, sich anzustecken, blieben die Menschen zuhause. Die Folge: Leute gingen nicht zur Arbeit, Geschäfte blieben zu, Äcker würden nicht bestellt. Und die Länder zunehmend isoliert: Viele Flüge in die Ebola-Regionen seien inzwischen gestrichen, Strassen gesperrt worden. Einige Nachbarländer hätten die Grenzen dicht gemacht, sagt Panzer.
Internationale Unternehmen hätten ihre Mitarbeiter inzwischen vielerorts abgezogen, die grossen Eisenerzminen und Kautschukplantagen in Liberia seien zu. Auch die Bauwirtschaft liege brach. Der Export von Eisenerz, Kautschuk, Diamanten oder Gold trägt aber das Wirtschaftswachstum. Da die Minen stillstehen, sind auch die Exporte eingebrochen. «Als Konsequenz davon brechen die Einnahmen des Staates ein und er kann weniger Geld im Gesundheitswesen einsetzen», sagt Kappel.
Vier von fünf Bauern haben nur eine Mahlzeit pro Tag
Dramatisch sind auch die Auswirkungen auf die Landwirtschaft. Etwa die Hälfte der Bevölkerung von Liberia und Sierra Leone arbeitet auf Kakao- und Erdnuss-Plantagen, auf Reis oder Kassava-Farmen. Die Kassava-Knolle ist ein traditionelles Grundnahrungsmittel. Ebola grassiere vor allem in ländlichen Regionen, sagt Weltbank-Experte Panzer. Viele Bauern gingen nicht mehr aus dem Haus, und das mitten in der Erntezeit. Bald müssten sie eigentlich auch mit der neuen Aussaat beginnen, um dann in einigen Monaten genug zu essen zu haben.
Schon jetzt gebe es zu wenig Nahrung, sagt Jochen Moninger, der Landeschef der Welthungerhilfe in Sierra Leone. «Es geben heute schon über 80 Prozent der Bauern an, dass sich ihr Einkommen verringert hat und sie nur einmal pro Tag essen können.»
Die Agrarproduktion sei bereits um geschätzt 40 Prozent eingebrochen. Das bedeute ein deutlich geringeres Einkommen für die Landbevölkerung. Noch gravierender sei, dass lokale Produkte vielerorts nur noch schwer zu bekommen seien, sagt der Experte der Welthungerhilfe. Das treibe die Preise nach oben.
World Food Programm rechnet mit einer Hungersnot
Andernorts seien diese Produkte gar nicht mehr verfügbar, da die meisten Märkte auf dem Land geschlossen seien und der Transport kaum möglich sei. Die Landbevölkerung esse teilweise schon jetzt die Samen auf, die sie eigentlich für die nächste Aussaat bräuchte, sagt Moninger. Schon jetzt sei daher absehbar, dass es im nächsten Frühjahr nicht genug geerntet werde könne, und es dann in Sierra Leone zu einer Hungersnot kommen werde.
«Das World Food Programm stellt sich auf 400‘000 Hungernde ein, die auf Nahrungsmittelhilfe angewiesen sein werden.» Die Weltgemeinschaft hat das Problem erkannt – und schickt Experten und viel Geld. Davon sei im Moment genug da, meint Moninger. Das Problem sei, die finanziellen Mittel dorthin zu leiten, wo sie benötigt werden.
Auch wenn im Moment noch niemand die Folgen der Epidemie abschätzen kann, eines ist klar: Die zarten Fortschritte, die Sierra Leone, Liberia und Guinea in den letzten Jahren gemacht haben, sind vorerst zunichte gemacht.