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Nachfolge Lukaschenko Warum sich Lukaschenko der EU annähern will

Am vergangenen Wochenende hat Belarus seinen Präsidenten gewählt. Diese Wahlen gelten als Scheinwahlen. Der neue und alte Präsident Alexander Lukaschenko wird als letzter Diktator Europas bezeichnet. Seit über 30 Jahren ist er in Belarus an der Macht und denkt auch schon an die Zeit nach ihm. SRF-Russlandkorrespondent Calum MacKenzie erklärt warum.

Calum MacKenzie

Russland-Korrespondent

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Calum MacKenzie ist Russland-Korrespondent von Radio SRF. Er hat in Bern, Zürich und Moskau Osteuropa-Studien studiert.

Woran erkennt man, dass Lukaschenko die Zeit nach ihm vorbereitet?

Das hat er selbst im Wahlkampf gesagt. Allerdings sagt er dies nicht zum ersten Mal, aber diesmal gibt es auch andere Hinweise. Seit zwei Jahren gibt es in Belarus eine Institution, die theoretisch noch mehr Macht hat als der Präsident, die sogenannte Gesamtbelarussische Volksversammlung.

Regieren bis zum Tod ist für Lukaschenko keine Option?

Doch. Lukaschenko ist der Vorsitzende dieser neuen Volksversammlung, das heisst, er führt derzeit dieses Gremium, das theoretisch mächtiger ist als er. Die Idee hinter dieser Volksversammlung ist, dass sie für verschiedene Szenarien nützlich ist. Wenn Lukaschenko einmal findet, er sei zu alt für die tagtäglichen Aufgaben des Präsidenten, kann er sich als Vorsitzender der Volksversammlung zurückziehen und das Geschehen immer noch aus dem Hintergrund kontrollieren. Wenn Lukaschenko im Präsidentenamt stirbt, steht die Volksversammlung bereit, um ein Machtvakuum zu füllen.

Wie soll die politische Zukunft in Belarus aussehen?

Es gibt keinen offensichtlichen Nachfolger. In Belarus hat der Präsident überall das Sagen, darum spricht man auch von einer Diktatur. Aber ein neuer Diktator könnte für den alten Diktator und für seine Familie zur Gefahr werden. Deswegen stellt sich Lukaschenko möglicherweise eine Zukunft vor, in der das Land kollektiv von der Volksversammlung regiert wird. Das darf man aber nicht als demokratische Reform verstehen. Es geht ihm darum, das System, das er aufgebaut hat, zu erhalten.   

Weshalb will Lukaschenko die Beziehungen zur EU wieder aufbauen? 

Nach den Massenprotesten von 2020 ist seine Beziehung zu Russland noch enger geworden. Aber darin liegt auch das Problem: Bei den Protesten stand Lukaschenkos Regime auf der Kippe, und Russland hat ihn sozusagen gerettet. Das hat ihn von Russland sehr abhängig gemacht, und diese Situation gefällt ihm nicht. Er braucht Beziehungen und Handelsabkommen mit anderen Ländern, vor allem zu den EU-Nachbarn, um sich von Russland ein wenig loszulösen. Auch hier: Lukaschenko plant keine Abkehr von Russland. Aber er findet, die Beziehung zu Moskau ist in den letzten Jahren ein bisschen zu einseitig geworden.

Welche Zukunft will Lukaschenko für Belarus?

Die Massenproteste vor fünf Jahren waren für Lukaschenko ein Schock. Er denkt daher an die Zeit nach seiner eigenen Herrschaft und schafft neue Regierungsstrukturen, damit es einen reibungslosen Übergang gibt. Idealerweise will er, dass sein System so bestehen bleibt, wie es ist, einfach ohne ihn oder eine andere starke Figur an der Spitze. Das heisst, er will ein undemokratisches System festigen, das demokratisch nicht geändert werden kann, und ein Belarus, das keine echten Beziehungen mit Europa hat, das aber auch nicht vollkommen unter der Kontrolle Russlands steht. Lukaschenko will nicht als der Herrscher in die Geschichte eingehen, der Russlands Annexion von Belarus vorbereitet hat. Ob ihm das alles gelingt, werden wir sehen.  

SRF 4 News, 27.01.2025, 07:47 Uhr ; 

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