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Tötung von Hamas-Chef «Der ‹Iranist› Sinwar ist politisch gescheitert»

Israels Regierungschef Benjamin Netanjahu hat die Tötung von Hamas-Chef Yahya Sinwar als wichtige Etappe im Gaza-Krieg bezeichnet. Wie es nun mit der Terrororganisation weitergeht, ist allerdings offen. Der Islamwissenschaftler Reinhard Schulze erklärt, wie sich die Hamas jetzt neu aufstellen könnte – personell, politisch und militärisch.

Reinhard Schulze

Islamwissenschaftler

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Der Islamwissenschaftler Reinhard Schulze studierte von 1974 bis 1981 Orientalistik und Islamwissenschaft, Romanistik und Linguistik an der Universität Bonn. Von 1987 bis 1992 wirkte er als Professor für Orientalische Philologie an der Ruhr-Universität Bochum, zwischen 1992 und 1995 als Professor für Islamwissenschaft und Arabistik an der Universität Bamberg. Ab 1995 bis zu seiner Emeritierung 2018 war er ordentlicher Professor für Islamwissenschaft und Neuere Orientalische Philologie an der Universität Bern. Schulz’ wissenschaftlicher Schwerpunkt liegt auf der Erforschung des sozialen Wandels im Kontext der islamischen Welt.

SRF News: Mit Sinwar ist der letzte grosse Name in der Führungsriege der Hamas getötet worden. Wer könnte die radikal-islamische Organisation künftig anführen?

Reinhard Schulze: Bereits im August – nach der Tötung von Hamas-Auslandchef Ismail Hanija in Teheran – hat eine Art Machtwechsel innerhalb der Hamas stattgefunden: Weg von der Auslandsorganisation, die ihr Zentrum in der katarischen Hauptstadt Doha hat, hin zum Gazastreifen.

Sinwar stand für die Hamas, die sich im Gazastreifen selbst organisiert. Er versuchte, die Organisation aus Gaza heraus an Teheran heranzuführen und sie so neu zu legitimieren.

Für den Iran ist die aktuelle Situation also besonders kritisch: Jetzt wird sich zeigen, wie stark seine ‹Achse des Widerstands› noch ist.

All das ist mit Sinwars Tod infrage gestellt. Die Auslandsorganisation der Hamas könnte jetzt wieder versuchen, die Definitionsmacht darüber zurückzuerlangen, was die Hamas ist. Sie könnte darauf abzielen, die eigene Aussendarstellung zu stärken, um damit eine neue Politik gegenüber der Hamas zu schaffen. Auch innerhalb des Gazastreifens. In der Warteschleife sitzt hier vor allem Chalid Maschal.

Neuausrichtung unter Führung von Chalid Maschal?

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Chalid Maschal in einer Archivaufnahme von 2009.
Legende: Chalid Maschal in einer Archivaufnahme von 2009. Keystone/EPA/PHILIP DHIL

Chalid Maschal stehe innerhalb der radikal-islamischen Hamas für die in Anführungsstrichen «gemässigten» Kräfte, sagt Schulze. «Er gilt als jemand, der eine politische Lösung und weniger die Militanz in den Vordergrund stellen möchte.»

Für Schulze gibt es bei einem allfälligen Kurswechsel aber Fragezeichen: Im Gazastreifen dürfte die Hamas nämlich versuchen, «ihre militante Position zu halten und gegebenenfalls auf das Westjordanland zu übertragen». Dass die Auslandsorganisation tatsächlich zur führenden Stimme der Hamas wird, sei also keineswegs ausgemacht.

Wie könnte diese neue Politik aussehen?

Es gibt innerhalb der Hamas einen Richtungsstreit zwischen den «Iranisten», für die auch Sinwar stand, und den «Arabisten». Letztere versuchen, sich vom Iran fernzuhalten und Hamas als arabisch-palästinensische Widerstandsorganisation zu porträtieren. Sinwar hat geglaubt, er könne Iran für seine Politik instrumentalisieren. Damit ist er gescheitert. Das könnte zu einer Machtverlagerung zugunsten der Auslandsorganisation der Hamas führen.

Damit verbunden wäre eine Entfernung vom Verbündeten Iran?

Es könnte zu einer Art «Ent-Iranisierung» kommen. Das hat sich in den letzten Wochen und Monaten bereits in verschiedenen Feldern der «Achse des Widerstands» abgezeichnet. Selbst innerhalb der Schiitenmiliz Hisbollah im Libanon gibt es Stimmen, die eine Loslösung von Iran fordern.

Sinwar in einer Aufnahme von 2011
Legende: Sinwars Tod könnte die Hamas vor eine Schicksalsfrage stellen: Ist Iran wirklich der richtige Partner? Keystone/AP/Adel Hana (Archivaufnahme von 2011)

Für Teheran ist die aktuelle Situation also besonders kritisch: Jetzt wird sich zeigen, wie stark seine «Achse des Widerstands» noch ist und inwiefern es seine Stellvertreter noch binden kann. Es könnte sein, dass die Hamas die erste dieser Organisationen ist, die versucht, eine eigenständige Politik durchzusetzen – auch entgegen der Interessen des Iran.

Das Gespräch führte Vera Deragisch.

Krieg im Nahen Osten

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Die Konflikte in Israel, im Westjordanland, im Gazastreifen und in Libanon halten an. Hier finden Sie alle unsere Inhalte zum Krieg im Nahen Osten.

SRF 4 News, 18.10.2024, 10:35 Uhr ; 

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