Die Nato will die Ukraine mit 40 Milliarden Franken unterstützen. Dies geschieht in einer Zeit, in der in der Ukraine wieder vermehrt Städte beschossen und zivile Opfer beklagt werden. Eine Nato-Mitgliedschaft, wie sie die Ukraine wünscht, gibt es aber vorerst nicht. Betont wurde am Gipfel in Washington jedoch: Der Weg der Ukraine hin zum Nato-Mitglied sei «unumkehrbar». Politologin Claudia Major über die Rückendeckung der Nato – die Grenzen kennt.
SRF News: «Der Weg der Ukraine in die Nato ist unumkehrbar»: Was heisst das genau?
Claudia Major: Das ist, worauf sich die Nato-Staaten einigen konnten. Bereits im letzten Jahr gaben sie beim Gipfel in der litauischen Hauptstadt Vilnius das Bekenntnis ab, dass die Zukunft der Ukraine in der Nato sei. Wie damals ist auch jetzt ein Satz im Communiqué: Es wird erst dann eine Einladung geben, wenn die Ukraine die Bedingungen für einen Nato-Beitritt erfüllt und sich die Mitgliedstaaten einig sind. Daran sieht man: Es gibt in der Frage keine Geschlossenheit. Die einen sind für eine Nato-Mitgliedschaft der Ukraine, die anderen blicken mit Sorge darauf. Wenn sich 32 Staaten einigen müssen, gibt es am Ende einen Kompromiss.
Die Nato-Mitgliedstaaten wollen die Ukraine mit 40 Milliarden pro Jahr militärisch unterstützen. Wie ist das zu werten?
Damit möchten die Nato-Staaten signalisieren, dass sie sich langfristig auf eine solche Summe einigen können. Der Betrag ist erst einmal für dieses Jahr festgelegt und soll 2025 beim Gipfel in Den Haag bestätigt werden. Aber: Ursprünglich hatte Nato-Generalsekretär Jens Stoltenberg von 100 Milliarden Dollar gesprochen. Die 40 Milliarden entsprechen etwa dem, was bereits im letzten Jahr ausgegeben wurde. Es ist ein Festschreiben dessen, was bereits getan wird.
Mit der Bombardierung ziviler Ziele will Russland die ukrainische Bevölkerung zermürben und zur Aufgabe zwingen.
Diese finanzielle Hilfe ist das, worauf sich die 32 Nato-Staaten einigen können. Sie reicht aber nicht aus, um die Ukraine dauerhaft und verlässlich in eine Position der militärischen Überlegenheit zu bringen. Die Europäer und die Amerikaner machen sehr viel. Aber es reicht nicht.
Gleichzeitig haben die USA am Mittwoch mit der Auslieferung von F-16-Kampfjets an die Ukraine begonnen. Wie viel nützen sie der ukrainischen Armee?
Wunderwaffen gibt es nicht. Ein System alleine wird kein Gamechanger sein. Es ist ein Beitrag zum gesamten Waffenlieferungspaket, das die Ukraine erhält. Die F-16 sind aber auch aufgrund ihrer Signalwirkung wichtig: Die westlichen Staaten trauen sich, der Ukraine Kampfjets zu liefern. Zudem kann die Ukraine damit bei ihrer Luftwaffe von alten Sowjet-Arsenalen auf Nato-Bestände übergehen.
Die Zahl der F-16 ist aber sehr klein und die ukrainischen Piloten haben ein sehr schnelles Trainingsprogramm durchlaufen. Die Frage der Wartung wird sehr wichtig sein. Unklar ist zudem, mit welcher Munition die Flieger ausgestattet werden. Der Einfluss der F-16 im Krieg bleibt also abzuwarten.
In den letzten Tagen hat Russland gleich mehrere Städte im Landesinneren der Ukraine heftig angegriffen. Hätten zusätzliche Mittel zur Luftabwehr das verhindern können?
Im Nachhinein ist man immer klüger. Man muss sich aber auch immer wieder vor Augen führen: Diese Angriffe zeigen nur, wie beständig das russische Vorgehen ist. Es hat seit Beginn des Krieges systematisch zivile Ziele bombardiert, darunter auch Kinderspitäler. Damit will Russland die ukrainische Bevölkerung zermürben und zur Aufgabe zwingen. Das wird auch so weitergehen.
Das Gespräch führte Susanne Stöckl.