Der 33-jährige Parlamentarier Piyarat Chongthep trägt eine orange Krawatte – die Farbe seiner Move-Forward-Partei. Vor rund einem Jahr wurde er ins Parlament gewählt. Mit seiner persönlichen Wahl habe er durchaus gerechnet, sagt Piyarat. «Doch nicht damit, dass die gesamte Partei so gut abschneiden würde.»
Zur Überraschung vieler ging eine orange Welle durchs Land. Move Forward gewann aus dem Stand am meisten Sitze im Parlament und wurde die stärkste Partei. Die Freude bei den Unterstützerinnen und Unterstützern war gross.
Move Forward hat das Falsche versprochen
Doch das überwältigende Wahlresultat habe ihm auch Sorgen bereitet: «Wir hatten Angst, dass wir als Nummer eins so nicht von ihnen akzeptiert würden, dass sie uns zerstören würden, dass sie die Partei auflösen würden. So läuft es in Thailand», sagt Piyarat.
Mit «ihnen» meint er die konservativen Eliten des Landes aus der Wirtschaft, dem Königshaus und dem Militär. Diese waren von den Reformplänen der jungen, progressiven Partei alles andere als begeistert.
Das Recht ist nie die treibende Kraft, es ist immer die Politik.
Move Forward versprach unter anderem, das Militär zu reformieren und – besonders heikel – das strenge Gesetz gegen Majestätsbeleidigung zu lockern. Dieses Wahlversprechen würde einem Umsturzversuch der Monarchie gleichkommen, befand schliesslich die Wahlkommission und beantragte die Auflösung der Partei.
Nächsten Monat soll dazu das Verfassungsgericht tagen.
Junge Partei dürfte gerichtlich verboten werden
Politologin Janjira Sombatpoonsiri von der Chulanlongkorn Universität geht davon aus, dass die Partei verboten wird. In solchen Fällen gehe es in Thailand nie um den Rechtsweg, sagt sie. «Das Recht ist nie die treibende Kraft, es ist immer die Politik.»
Und so wird erwartet, dass das Verfassungsgericht die Wünsche des Establishments durchsetzen wird. «Die Eliten sehen sich als Erwachsene, die die sturen Kinder disziplinieren müssen – die Kinder, die den Status quo herausfordern», sagt Janjira.
Thailand ist keine vollständige Demokratie im westlichen Sinne.
Parlamentarier Piyarat war vor seiner Wahl ins Parlament ein bekannter Aktivist in der Demokratiebewegung. Das Vorgehen der Eliten gegen seine Partei sage viel aus über den Zustand der thailändischen Demokratie. «Thailand ist keine vollständige Demokratie im westlichen Sinne», sagt er. Er und seine Mitstreiter würden sie «Demokratie nach thailändischer Art» nennen.
Werde Move Forward verboten, würden sie einfach eine neue Partei gründen, sagt Piyarat. Das sei an und für sich einfach in Thailand. Allerdings könnte die Parteiführung mit einem Politikverbot belegt werden, was ihm Sorgen bereite. Denn das sei auch bei der Vorgängerpartei Future Forward geschehen.
Die Zeit spielt für die Demokratie
Bei den Wählerinnen und Wählern in Thailand kommt es nicht gut an, die Justiz als politische Waffe einzusetzen. Die Unterstützung der Eliten im Volk schwinde denn auch von Tag zu Tag, sagt Politologin Janjira.
Zwar würden die Eliten ihren Einfluss in Thailand auf absehbare Zeit behalten und sich weiterhin in die Demokratie einmischen können. Allerdings würden umso mehr Menschen mit den Unterdrückten sympathisieren, je länger die politische Unterdrückung weitergehe.
Zumindest langfristig gesehen, scheint die Zeit also für die Demokratiebewegung zu arbeiten.