- Ein Schweizer Fernsehteam will aus Minneapolis berichten – über die Demonstrationen gegen Rassismus und Polizeigewalt.
- Die Reporter geraten zwischen die Fronten der Polizei, geben sich als Journalisten zu erkennen. Ein Gummigeschoss verfehlt sie nur knapp.
- Ähnlich wie den Schweizer Berichterstattern ergeht es vielen Journalisten in den USA. Hunderte Vorfälle dieser Art wurden bereits bekannt.
Es geschah vergangenen Samstag in der Nacht, in Minneapolis, kurz nach 20 Uhr. Die Fernseh-Korrespondenten Gaspard Kühn von RTS und Max Herber von RSI sowie ihr Kameramann Jean-Pascale Azaïs finden sich eingekesselt zwischen zwei Polizeifronten.
Gummigeschosse gegen Pressevertreter
Die Demonstrierenden sind fast alle verschwunden. Plötzlich schwirrt eine Gummikugel ganz nahe an ihnen vorbei. Und zwar, nachdem sich das Schweizer Team als Presse zu erkennen gegeben hatte.
Der 38-jährige RTS-Journalist Gaspard Kühn erzählt, wie es dazu kam. Sie hätten sich aus der unangenehmen Lage befreien wollen. Deshalb seien sie auf die Polizei zugegangen, mit gezückten Presseausweisen, und hätten laut «Presse!» gerufen. Aber die Polizisten hätten nur geschrien «Back Up!» und kurz danach mit Gummimunition auf sie geschossen.
Hunderte Meldungen über ähnliche Vorfälle
Das Schweizer TV-Team hat nichts Verbotenes getan. Die Ausgangssperren in rund 40 US-Städten gelten für Journalisten nicht. Es könnte sich auch um einen Irrtum handeln, aber an Schauplätzen von Minneapolis bis Los Angeles erlebten viele Medienvertreter solche Zwischenfälle.
Auf dem Twitterfeed der U.S. Press Freedom Tracker sind innert einer Woche über 250 Meldungen eingegangen. Es ist riskant geworden, in den USA über die Bürgerrechts-Proteste zu berichten. Polizisten attackieren und verhaften Journalisten, aber auch Protestierende haben zugeschlagen, wie etwa in Washington D.C. einen Fox-News-Reporter.
Noch nie gesehenes Phänomen
«Wir müssen vor Ort berichten», sagt Kühn von RTS. «Über die Sichtweise der Protestierenden und diejenige der Polizei. Wenn wir das nicht mehr tun können, dann leben wir nicht mehr in einer Demokratie.»
Die Organisation Reporter ohne Grenzen spricht von einem in den USA noch nie gesehenen Phänomen.