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Weiterkämpfen, auch ohne Nawalny
Aus Echo der Zeit vom 12.09.2020. Bild: Keystone
abspielen. Laufzeit 5 Minuten 17 Sekunden.

Regionalwahlen in Russland Nawalnys Anhänger wollen sich nicht unterkriegen lassen

Es war im vergangenen Jahr, als Sergej Bojko so richtig bekannt wurde. Polizeibeamte standen vor seiner Tür, klopften, verlangten eine Hausdurchsuchung. Bojko evakuierte zuerst in aller Ruhe Computer-Harddisks mit sensibler Information: Er klebte die Datenträger an eine Drohne und schickte das Fluggerät einem Bekannten.

Erst dann öffnete er die Tür. Das Video von der Aktion veröffentlichte Bojko im Internet. Mehr kann man einem repressiven Apparat eigentlich nicht auf der Nase herumtanzen.Bussen und Stinkbomben gegen Kandidaten

Alexej Nawalny und seine Anhänger vor den Präsidentschaftswahlen 2018.
Legende: Sie machen auf sich aufmerksam: Alexej Nawalny und seine Anhänger vor den Präsidentschaftswahlen 2018. Keystone

In diesen Tagen steckt Bojko mitten im Wahlkampf. Seine Heimatstadt Novosibirsk wählt an diesem Wochenende ein Stadtparlament und Bojko hat zusammen mit anderen Aktivisten eine oppositionelle Koalition gegründet. «Da ist nicht nur der örtliche Stab von Alexej Nawalny dabei, sondern auch die Libertäre Partei, die Piratenpartei – viele Aktivisten aus der Zivilgesellschaft», sagt Bojko.

Ziel der bunten Truppe ist es, mindestens Fraktionsstärke im Parlament zu haben. Der Wahlkampf ist nicht einfach: Bojko wurde schon zweimal mit Bussen bestraft, weil er auf der Strasse um Stimmen warb. Bei einem Treffen von Helferinnen und Helfern warf ein Unbekannter eine Stinkbombe in den Raum. Doch von solchen Attacken lässt sich Bojko nicht beirren.

In Russland laufen Wahlen normalerweise so ab, dass man schon weiss, wer gewinnt, bevor der erste Wahlzettel in die Urne fällt.
Autor: Sergej Bojko Nawalny-Anhänger

Er und seine Mitstreiter setzen auf das «kluge Wählen» – ein Projekt von Alexej Nawalny. Die Idee dahinter: Wenn die richtige Opposition schon nicht selber antreten kann, dann sollen wenigstens gezielt Vertreter der sogenannten Systemopposition gewählt werden – also Leute, die zwar nicht kreml-kritisch sind, aber auch nicht 100 Prozent auf Kreml-Linie.

Dadurch durchkreuze man die politischen Pläne der herrschenden Elite, sagt Bojko. Und: «In Russland laufen ja Wahlen normalerweise so ab, dass man schon weiss, wer gewinnt, bevor der erste Wahlzettel in die Urne fällt. Deswegen ist für uns eine Wahl, bei der es richtige Konkurrenz gibt, schon ein Erfolg.»

So klein Bojkos Ansprüche sind, so klein ist der Handlungsspielraum von Oppositionellen in Russland. Wer in Russland ohne Zustimmung des Kreml Politik macht, muss in erster Linie dafür kämpfen, nicht unter die Räder zu geraten.

Das Schicksal Alexej Nawalnys illustriert dies. «Nawalny ist deswegen gefährlich für den Kreml, weil er nicht nur in Moskau Politik macht – sondern auch in den Regionen», ist Bojko überzeugt.

Wahlausgang in Novosibirsk am wichtigsten

Tatsächlich ist Nawalny nicht nur der populärste Oppositionelle Russlands. Er ist auch der einzige, der im ganzen Land Anhänger hat, Strukturen, Büros. Nur Tage vor der Vergiftung war Nawalny in Novosibirsk und hat dort ein Video über Korruption und Machtmissbrauch der öffentlichen Eliten aufgenommen. Fast fünf Millionen mal wurde das Video inzwischen angeklickt.

Natürlich ist es schwieriger für uns ohne Alexej. Aber wir können jetzt nicht einfach aufgeben.
Autor: Sergej Bojko Nawalny-Anhänger

Zwar finden an diesem Wochenende in vielen russischen Regionen Wahlen statt. Am wichtigsten aber ist der Urnengang in der Grossstadt Novosibirsk. «An Novosibirsk sieht man ungefähr, wie die Stimmung im Land insgesamt ist», sagt Bojko. Er glaubt, dass die Opposition im Aufwind ist. Putins Beliebtheitswerte seien gesunken, die Wirtschaft in einer Krise, viele Bürger seien unzufrieden damit, wie der Staat die Covid-Krise gemanagt habe.

Allerdings, sagt Bojko auch: Die Vergiftung von Navalny sei für ihn und seine Wahlkämpfer ein Schlag gewesen. «Natürlich ist es schwieriger für uns ohne Alexej. Aber wir können jetzt nicht einfach aufgeben, weil er im Moment nicht da ist. Wir kämpfen weiter – bis zum Sieg.

Echo der Zeit, 12.9.2020, 18 Uhr

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