Wenn es nach der Ukraine ginge, würde der Wiederaufbau des Landes vor allem über beschlagnahmte russische Gelder finanziert werden. Das wurde an der Wiederaufbaukonferenz in Lugano klar. Das wird so wohl nicht möglich sein, zeigte sich am Dienstag zum Abschluss der Lugano-Konferenz.
Ausgerechnet die Konferenz-Gastgeberin Schweiz hat dieser Idee so etwas wie eine Absage erteilt. Bundespräsident Ignazio Cassis sagte, die Schweiz könne nicht einfach so russische Gelder für den Wiederaufbau der Ukraine beschlagnahmen. Das brauche eine saubere Abklärung in jedem Einzelfall.
Auch rechtlich gesehen gibt es Hürden. Das sagt Monika Roth. Sie ist Rechtsprofessorin an der Hochschule Luzern und spezialisiert auf Finanzmarktrecht. «Eine quasi Beschlagnahme zwecks Verwendung für den Wiederaufbau ist so nicht einfach möglich.»
Denn: In der Schweiz steht die Eigentumsgarantie in der Verfassung. Und Eingriffe in das Eigentum bedürfen einer gesetzlichen Grundlage. Es gebe in der Schweiz zwar das Embargogesetz. Das sieht vor, dass beschlagnahmte Gelder allenfalls behalten werden können. «Dann nämlich, wenn, ungeachtet, ob sie auf einer Straftat berühren oder nicht, ihr Verwendungszweck unsicher oder auch verwerflich ist. Das würde eines Entscheides in jedem Einzelfall bedürfen», erklärt Monika Roth.
Abklärung pro Einzelfall – ein surreales Prozedere
In der Praxis wäre das schwierig. Jeder Oligarch, dessen Vermögenswerte und Gelder in der Schweiz gesperrt wurden, müsste überprüft werden. «Es müsste nachgewiesen werden, dass er die Gelder und Vermögenswerte zur Stützung des Krieges oder weiterer Massnahmen von Putin verwenden dürfte. Sie können nicht einfach generell sagen, wir nehmen die Oligarchen-Gelder», sagt die Rechtsprofessorin. Ein Prozedere, weit entfernt von der Realität.
Auch sei Oligarch kein feststehender Begriff. Und nicht jeder, der als Oligarch bezeichnet wird, steht Putin nahe. «Und eine Verordnung wie die Ukraine-Verordnung wäre ohnehin eine ungenügende gesetzliche Grundlage.»
Die gesetzliche Basis ist also nicht gegeben. Auch wenn es um Russinnen und Russen geht, die bereits auf der Sanktionsliste stehen, deren Gelder schon eingefroren sind: Ihre Gelder darf man nicht einziehen.
«Das Embargogesetz und die darauf berufende Verordnung betreffend Ukraine erlauben nur, diese Vermögenswerte zu sperren oder mit einer Beschlagnahme zu belegen. Aber mehr ist es eben nicht», sagt Roth.
Die Schweiz tut gut daran, keine Versprechungen einzugehen, die sie nicht halten kann.
Momentan sind in der Schweiz rund 6.5 Milliarden Franken von Russinnen und Russen auf der Sanktionsliste blockiert. Geld für den Wiederaufbau? Eher nein. «Die Schweiz tut gut daran, hier keine Versprechungen einzugehen, die sie gar nicht halten kann», so Roth. Die Ukraine dürfte sich also keine grossen Hoffnungen machen, dass dieses Geld in den Wiederaufbau fliesst.