Seit bald einem Jahr dominiert der Krieg in Europa die Schlagzeilen. Doch nicht nur in der Ukraine bekriegen sich Streitkräfte und Milizen, werden Städte und Dörfer belagert, Menschen vertrieben und getötet.
Sebastian Ramspeck, Internationaler Korrespondent von SRF, beobachtet eine Spaltung in der Welt, wenn es um die Wahrnehmung von Konflikten geht: auf der einen Seite die USA und Westeuropa. «Bei ihnen liegt die ganze Aufmerksamkeit auf dem Ukraine-Krieg und der Konfrontation mit Russland.»
Dem steht eine ganz andere Sicht der Dinge gegenüber, die Ramspeck etwa in Gesprächen mit Diplomatinnen und Diplomaten bei der UNO erfährt. «Von offiziellen Vertretern aus Asien, Lateinamerika oder Afrika hört man: Der Ukraine-Krieg mag schlimm sein – aber er ist nur einer von vielen Kriegen in der Welt. Für uns ist er nicht wichtiger als der Konflikt vor unserer Haustür.»
Syrien: Humanitäres Elend in Assads Reich
Susanne Brunner, ehemalige Nahost-Korrespondentin von SRF: «Es gibt immer noch Krieg in Syrien, verschiedene Nationen sind nach wie vor involviert. Es ist nicht mehr so wie vor einigen Jahren – aber die Situation ist angespannt. Der Krieg ist bei Weitem noch nicht zu Ende. Machthaber Assad hat noch nicht die Kontrolle über das ganze Land erlangt; die Situation der Bevölkerung ist entsprechend schlecht. Viele der teils mehrfach innerhalb des Landes vertriebenen Menschen leben unter prekären Bedingungen im Nordwesten Syriens.»
«Syrien unterliegt Sanktionen des Westens. Da Assad weiter an der Macht ist, wird der Wiederaufbau vonseiten der USA und der EU nicht unterstützt, damit das Geld nicht in die falschen Hände kommt. In Teilen des Landes gibt es kaum Strom, dazu sind die Preise für Lebensmittel und Energie im Land stark gestiegen – das sind auch Folgen des Ukraine-Kriegs.»
Jemen: Hoffnungsschimmer nach saudischem Debakel
Philipp Scholkmann, ehemaliger Nahost-Korrespondent von SRF: «Holzschnittartig betrachtet stehen sich im Jemen zwei grosse Lager gegenüber. Die Huthi-Rebellen marschierten vor acht Jahren auf die Hauptstadt Sanaa und rissen die Macht an sich. Das Regierungslager besteht aus Leuten, die aus der Hauptstadt vertrieben wurden. Saudi-Arabien unterstützt die Regierungsseite mit einem milliardenschweren Kriegseffort. Aus dem Versprechen Riads, die Regierung innert Wochen zurück an die Macht zu bomben, wurden Jahre. Noch immer kontrollieren die Rebellen die Hauptstadt und grosse Teile des Landes.»
«In jüngster Zeit hat sich der Konflikt mit seiner tragischen Geschichte zum Positiven verändert. Es gibt Hoffnungsschimmer. Seit Frühjahr 2022 gibt es eine inzwischen zwar nicht mehr offizielle Waffenruhe; aber es wird deutlich weniger gekämpft und getötet. Das ist an sich eine sehr gute Nachricht für die notleidenden Menschen. Der Grund dafür ist vor allem, dass Saudi-Arabien irgendeinen gesichtswahrenden Ausstieg aus der Zerstörung sucht, aus diesem Debakel, zu dem seine Militärintervention geworden ist.»
Kongo: Massaker und Massenflucht
Bettina Rühl, freie Journalistin in Afrika: «Der Konflikt im Kongo schwelt seit Jahrzehnten und kocht jetzt wieder hoch, es besteht die Gefahr eines regionalen Konflikts zwischen dem Kongo und Ruanda. Der Konflikt ist alt und kompliziert – doch er hat gewaltige Dimensionen. Allein in einer der Unruheprovinzen, Nord-Kivu, sind mehr als zwei Millionen Binnenvertriebene auf der Flucht. Es gibt viele schwere Massaker. Angesichts dessen ist die Aufmerksamkeit für den Kongo gering.»
«Mit Blick auf den Konflikt zwischen Kongo und Ruanda hat die ostafrikanische Staatengemeinschaft eine Vermittlerrolle übernommen und eine regionale Eingreiftruppe entsandt. Die Aufmerksamkeit des Westens ist auf den Krieg in Europa fokussiert. Die regionalen Staaten springen dankenswerterweise in die Lücke, die die internationale Gemeinschaft hinterlässt. Die Lage ist aber sehr kompliziert und es würde überraschen, wenn kurz- oder mittelfristig eine Lösung gefunden würde.»