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Russlands Teil-Mobilmachung und die Folgen
Aus 10 vor 10 vom 21.09.2022.
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Teil-Mobilmachung in Russland Wen Putin in die Ukraine schickt

Der russische Präsident Wladimir Putin hat die Teil-Mobilmachung ausgerufen. Doch: Wer wird an die Front geschickt? Die Antworten auf die wichtigsten Fragen.

Über wie viele Reservisten verfügt Russland insgesamt? Der russische Verteidigungsminister Sergej Schoigu gab nach Putins Rede am Mittwoch bekannt, dass sich die Mobilisierungs-Ressourcen Russlands auf 25 Millionen Menschen belaufen. Externe Schätzungen weichen allerdings davon ab: Das amerikanische Institute for the Study of War geht von zwei Millionen russischen Reservisten aus.

Wie viele Reservisten werden einberufen? Der Kreml spricht von 300'000 Personen. Experten weisen jedoch darauf hin, dass diese Obergrenze bei Bedarf nach oben korrigiert werden kann, da Putins Dekret weit gefasst ist. Zum Vergleich: Im Februar marschierte Russland mit knapp 150'000 Soldaten in die Ukraine ein.

Wer wird an die Front geschickt? Nach Angaben des Verteidigungsministers sind Reservisten mit Kampf- und Diensterfahrung betroffen. Theoretisch können nach russischem Recht alle Männer und Frauen im Alter von 18 bis 60 Jahren je nach Dienstgrad als Reservisten einberufen werden. Besonders gefragt seien medizinisches Personal und verschiedene technische Spezialisten, wie Putin bekannt gab.

Was bedeutet Teil-Mobilmachung?

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Teil-Mobilmachung bedeutet die Einberufung bestimmter Personengruppen zum Dienst in den Streitkräften eines Staates. Sie unterscheidet sich von der allgemeinen Mobilmachung, bei der die gesamte wehrpflichtige Bevölkerung einberufen wird. Im Fall des russischen Angriffskrieges ist dies die erste militärische Mobilmachung in der Geschichte des modernen Russlands.

Welche Personen werden nicht einberufen? Studenten, Eltern mit vier oder mehr kleinen Kindern und Personen, die für wichtige Industriezweige unverzichtbar sind, hätten Anspruch, nicht eingezogen zu werden – darunter auch Menschen, die in der Pflege arbeiten, hiess es aus dem Kreml.

Bleibt die Elite verschont? Ein fingiertes Telefonat, bei dem offenbar der Sohn von Kremlsprecher Dmitri Peskow in die Irre geleitet worden ist, stellt die Einberufung von Angehörigen der russischen Elite zumindest infrage.

Wie viel wird den Reservisten gezahlt? Putin betonte in seiner Rede, dass die Reservisten die gleiche Bezahlung wie die jetzigen Vertragssoldaten bekommen würden. Verschiedenen Angaben zufolge beträgt diese rund 200'000 Rubel im Monat – umgerechnet etwa 3300 Franken. Die regionalen Behörden versuchen zusätzlich, Reservisten mit Sonderzahlungen zu belohnen: Die Stadt Moskau will für jeden eingezogenen Bürger monatlich 50'000 Rubel (820 Franken) zum Sold dazulegen, wie der Bürgermeister mitteilte.

Woher werden die Reservisten eingezogen? Der Verteidigungsausschuss des russischen Parlaments kündigte an, dass sich die geografische Verteilung der Reservisten nach der Bevölkerungszahl richtet. Bevölkerungsreiche Regionen des Landes, einschliesslich der Hauptstadt Moskau, müssten demnach die meisten Soldaten entsenden. «Jede [Region] der Russischen Föderation erhält einen Verteilungsbefehl auf der Grundlage ihrer Fähigkeiten», hiess es.

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Tausende protestieren in Russland gegen Putins Teil-Mobilmachung
Aus Tagesschau vom 22.09.2022.
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Was passiert mit Dienstverweigerern? Auf der Webseite des russischen Parlaments steht, dass «die Verweigerung, an Kriegshandlungen teilzunehmen» mit Haftstrafen bis zu drei Jahren geahndet werden kann. Das «eigenmächtige Entfernen von der Einheit während einer Mobilmachung» wird mit fünf bis zehn Jahren bestraft.

Wie lange wird die Teil-Mobilmachung dauern? Der Sicherheitsexperte Wolfgang Richter rechnet mit zwei bis drei Monaten, bis die Reservisten an der Front einsatzbereit sind. Der ehemalige Oberst der deutschen Bundeswehr betont im Gespräch gegenüber SRF, dass die Reservisten mitten aus der Zivilbevölkerung sind. Sie müssten zuerst hinlänglich ausgerüstet und ausgebildet werden. Nach dem Institute for the Study of War hätten nur zehn Prozent nach ihrem Grundwehrdienst eine kontinuierliche Ausbildung erhalten.

Schwierige Flucht aus Russland

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Am Mittwoch erklärte der Aussenminister von Lettland, dass sein Land «keine humanitären oder andere Arten von Visa für russische Bürger ausstellen wird, die sich der Mobilmachung entziehen», und begründete dies mit Sicherheitsbedenken. Auch Estland und Litauen wollen die Beschränkungen des Grenzübertritts für die meisten russischen Staatsangehörigen weiter vorantreiben.

Auf russischer Seite ist bis anhin nicht klar, ob die eigenen Grenzen zur Ausreise geschlossen werden oder nur für diejenigen, die bereits eine Vorladung im Rahmen der Teil-Mobilmachung erhalten haben. Der Kreml lehnte es am Mittwochnachmittag ab, sich dazu zu äussern, und sagte nur, dass «Klarstellungen später verfügbar sein werden».

Der Leiter des Verteidigungsausschusses der Duma, Andrej Kartapolow, sagte, dass Einschränkung der Reisefreiheit vor allem Auslandsurlaube betreffen würden. «Ich würde Ihnen nicht raten, in türkische Kurorte zu fahren – erholen Sie sich lieber in den Badeorten der Krim und des Gebiets Krasnodar», richtete sich der Abgeordnete an die russische Bevölkerung.

Echo der Zeit, 21.09.2022, 18:00 Uhr

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