Heute findet in Genf ein Treffen zwischen den beiden Grossmächten Russland und den USA statt. Die Europäische Union und ihre Mitgliedstaaten spielen dabei nur eine Nebenrolle. Das sei aus europäischer Sicht bedrückend, sagt Markus Kaim, Sicherheitsexperte bei der Stiftung Wissenschaft und Politik SWP.
SRF News: Das Treffen in Genf weckt Befürchtungen, dass Europa übergangen werden könnte. Was bringen Gespräche zwischen den USA und Russland ohne die EU für die Stabilität von Europa?
Markus Kaim: In der Tat ist das ein ganz bedrückenden Punkt. Aus europäischer Sicht wird hier die Zukunft der europäischen Friedensordnung, der europäischen Sicherheitsarchitektur verhandelt, ohne dass Europa am Tisch sitzt. Dass das die russische Seite nicht interessiert, überrascht wenig. Es ist eine traditionelle Politik Putins, Europa zu spalten oder mindestens zu übergehen.
Der EU ist es bisher nicht gelungen, ein aussenpolitisches Gewicht auf die Waage zu legen.
Aber dass Biden sich darauf eingelassen hat, mit Russland über die Köpfe der Europäer hinweg zu verhandeln, lässt doch einige Zweifel daran aufkommen, wie ernst er europäische Bedenken nimmt.
Trifft die Europäer selbst eine gewisse Schuld?
Ja. Denn der EU ist es bisher nicht gelungen, ein aussenpolitisches Gewicht auf die Waage zu legen. Das betrifft auch die europäischen Nato-Mitglieder, die seit Jahren davon sprechen, dass sie den europäischen Pfeiler der Nato stärken wollen. Aber die Europäer sind in den letzten Tagen letztlich sehr still gewesen. Eine koordinierte europäische Initiative wäre ja durchaus denkbar gewesen, bei der zumindest ausgewählte europäische Nato-Mitglieder sich in diesen Fragen artikuliert hätten. Davon ist aber nichts zu sehen gewesen.
Was ist von diesem Treffen zu erwarten?
Eher wenig. Bei der Frage eines Waffenstillstandes und einer politischen Lösung für den Ukraine-Konflikt sind die Handlungsoptionen seit dem Minsker Abkommen eigentlich auf dem Tisch. Die hätten seit Jahren genutzt werden können. Da besteht also eher wenig Hoffnung. Und auch bei der Frage der Zukunft der europäischen Sicherheitsordnung und wie sich Russland diese vorstellt, deuten sich doch wenig Kompromissmöglichkeiten an.
Könnten die Gespräche also scheitern?
Nachdem, was am Sonntag aus den ersten Vorgesprächen gedrungen ist, scheint mir, dass beide Seiten bemüht sind, ein Erwartungsmanagement zu betreiben, das in die Richtung geht, dass wenig zu erwarten ist. Und das ist natürlich auch eine geschickte Taktik, um die Erwartungen der internationalen Gemeinschaft möglichst gering zu halten und möglichst zu verhindern, dass von einem Scheitern gesprochen wird.
Das Gespräch führte Susanne Stöckl.