Weisses Hemd und dunkles Gilet: Der HTS-Anführer unterstreicht seinen angeblichen Wandel auch äusserlich, zuletzt in einer Video-Grussbotschaft zum ersten Freitagsgebet nach dem Sturz des Assad-Regimes in Syrien.
Analystinnen, Politiker, Expertinnen debattieren darüber, wie weit sich Abu Mohamed al-Jawlani – nun bevorzugt mit bürgerlichem Namen Ahmad al-Sharaa – tatsächlich gewandelt habe und wie weit seine siegreiche Allianz überhaupt noch als Terrororganisation betrachtet werden könne. Eine Debatte, die in Fachkreisen bereits seit Jahren läuft, aber nach der Blitzoffensive der HTS auch das internationale Parkett erreicht hat.
Rechtliche Einordnung der HTS bereits erfolgt
Weniger aufgeregt hat die Schweizer Justiz vor rund einem Monat einen wenig beachteten juristischen Entscheid getroffen, was die rechtliche Einordnung der HTS hierzulande betrifft. Sie ist eine mit Al Kaida verwandte terroristische Organisation nach Strafgesetzbuch. Das geht aus einem Urteil des Bundesstrafgerichts von Mitte November hervor. Die schriftliche Urteilsbegründung liegt noch nicht vor, es ist noch nicht rechtskräftig.
Angeklagt von der Bundesanwaltschaft war ein Asylsuchender aus Algerien, der über Anschlagspläne in Frankreich gesprochen und Propaganda für den sogenannten «Islamischen Staat» IS sowie eben die HTS verbreitet haben soll.
Vom Vorwurf der Beteiligung an einer kriminellen Organisation wurde er freigesprochen, einen Schuldspruch gab es aber für versuchte Widerhandlungen gegen das alte Verbotsgesetz gegen Al Kaida und IS sowie für die mehrfache Unterstützung einer terroristischen Organisation.
Für Bund unbestritten: HTS ist eine Terrororganisation
Die Tat, mit der der Angeklagte HTS unterstützt haben soll, erfolgte im Januar 2022, indem er über Facebook ein Video versandte, das laut der Bundesanwaltschaft die HTS «verherrlichte». Er habe die angeschriebene Person in der Ideologie der HTS überzeugen, respektive sie in ihrer Gesinnung zu bekräftigen versucht.
Das Gericht folgte der Anklage und sprach den Mann auch in diesem Punkt schuldig. Offensichtlich ist weder für die Bundesanwaltschaft noch das Bundesstrafgericht umstritten, ob die HTS eine Terrororganisation sei.
Angeklagter machte keinen Unterschied
Zum Tatzeitpunkt 2022 hatte sich al-Jawlani bereits von der Al Kaida losgesagt, die HTS-Allianz kontrollierte weite Teil der syrischen Provinz Idlib.
Was der Fall auch illustriert: Der Angeklagte, ein heute 52-jähriger Algerier, der gemäss den Ermittlungen seit 2016 ein «glühender Anhänger» des IS sei, machte offenbar keinen grossen Unterschied zwischen IS und HTS. Obwohl die zwei Organisationen verfeindet sind und sich bekämpfen, schien ihm die Propaganda beider Gruppen verbreitungswürdig. Zu einem weit grösseren Teil jene des IS, doch auch der HTS. Zumindest in diesem Fall scheinen sich Dschihad-Anhänger wie er also nicht besonders für akademische oder politische Differenzen zwischen einzelnen Organisationen zu interessieren – Hauptsache Dschihad, so scheint es.